Coronapandemie in Tunesien: Streiken statt Impfen

Ärzte und Pfleger in in den staatlichen Kliniken Tunesiens fordern bessere Arbeitsbedingungen. Dies verlangsamt auch die Impfkampagne in dem Land.

Krankenschwester in Schutzkleidung

Krankenhaus in Tunis Ende April 2021 Foto: Jdidi Wassim/imago

Tunis taz | Seit der Ankunft einer dritten Welle an Corona-Infektionen sind die Krankenhäuser in Tunesien zu fast 100 Prozent gefüllt. Die Arbeitsbedingungen an den 500 Intensivbetten des Landes hatten sich schon im letztes Jahr so verschlechtert, dass sich viele Pfleger und Ärzte infizierten.

Nachdem die Regierung nicht auf die Forderung nach mehr Betten und besserer Schutzkleidung eingegangen war, hat an staatlichen Kliniken am Montag ein Streik begonnen. Eigentlich sollten auch Apotheken und Impfzentren geschlossen bleiben. Doch aufgrund der dramatischen Lage erschienen viele Angestellte zur Arbeit. Statt der täglichen 12.000 Impfungen wurden am Mittwoch nur rund 8.000 Tunesier geimpft.

Mit den seit Beginn der Impfkampagne im März 400.000 Geimpften liegt eine Herden­immunität in weiter Ferne. Mit dem Ausfall der zweiten Touristensaison und der Wirtschaftskrise könnte sich die Regierung von Hichem Mechichi bald einer neuen Welle sozialer Proteste gegenüber sehen. Im Februar waren Tausende arbeitslose Tunesier auf die Straße gegangen. Viele der über 2.000 verhafteten Demonstranten warten seitdem auf ihr Verfahren.

Daher wagt es Mechichi auch nicht, die noch immer geöffneten Cafés und Restaurants und den Einzelhandel zu schließen. Der bis Mitte kommender Woche dauernde Fastenmonat Ramadan ist für viele Gastronomen der umsatzstärkste Monat im Jahr. Immerhin soll es nun während des Festes zum Ende des Ramadans einen viertägigen Totallockdown geben – ein Kompromiss, der aus epidemiologischer Sicht allerdings nichts bringen dürfte, da nach Ende des Ramadans sowieso die Familien zusammenkommen und das Haus kaum verlassen.

Höchste Sterberate Afrikas

Mit der schnellen und konsequenten Schließung des öffentlichen Lebens hatte sich Tunesien im letzten Jahr zu einem Vorbild bei Anticoronamaßnahmen gemausert. Die geschlossenen Grenzen und an den Eingängen von Restaurants und Läden üblichen Temperaturmessungen führten zu extrem niedrigen Infektionszahlen. Die Wiedereröffnung der Hotels lockte zahlreiche Exiltunesier an, die zusammen mit den lokalen Touristen durch den Anfangserfolg sich immer weniger an die offiziellen Hygienemaßnahmen hielten.

„Für uns war die entspannte Lage auf den Intensivstationen daher auch kein Maßstab, sondern eher eine Warnung“, sagt ein Arzt, der im Charles-Nicolle-Krankenhaus in Tunis Covid-Patienten behandelt. Denn mit insgesamt über 10.000 Toten hat Tunesien die mit Abstand höchste Sterberate Nordafrikas. Im Herbst wurde die Mehrheit der Covid-Infizierten mit leichten Krankheitsverläufen von den Ärzten in Heimquarantäne geschickt und tauchte in den offiziellen Statistiken gar nicht auf. Seit Februar führt die britische Mutation zur Ansteckung ganzer Familien.

Die Gouverneure der Provinzstädte Kef und Kelibia haben nun ein Aus- und Reiseverbot verhängt und aus Furcht vor der indischen Mutation müssen Individualreisende nach Ankunft in Tunesien eine siebentägige Quarantäne in einem Hotel absolvieren. In einem offenen Brief hatten 26 führende Ärzte das Gesundheitsministerium bereits im November vor der Eskalation gewarnt.

Die Pfleger und Ärzte auf den Intensivstationen ignorieren den Streik weitgehend. Die bis zu 30 Stunden langen Schichten und den Mangel an Sauerstoff und Betten managen sie mit selbst gekauften Masken oder Schutzanzügen. Die rund 100 Euro pro Tag für ein gut ausgerüstete private Klinik können sich nur wenige tunesische Familien leisten.

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