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Coronapandemie in JapanTokio ist kein Vorbild mehr

Lange galt Japans Corona-Abwehr als besonders effektiv. Jetzt wird der Lockdown verlängert, Impfungen starten frühestens Ende Februar.

Japan: Ausnahmezustand in den großen Metropolen wie hier in Tokio wurde bis zum 7. März verlängert Foto: Eugene Hoshiko/ap

Tokio taz | Auf Anraten seiner Virusberater hat Japans konservativer Premierminister Yoshihide Suga den Ausnahmezustand in den großen Metropolen am Dienstag um einen Monat bis zum 7. März verlängert. Die Neuinfektionen seien zwar zurückgegangen, nachdem Bars und Restaurants seit fast vier Wochen um 20 Uhr schließen müssen, sagte Suga, aber das Gesundheitswesen stehe weiter „unter Druck“.

Doch die Realität ist viel härter: Dutzende Ja­pa­ne­r:in­nen starben im Dezember und Januar an Covid-19, als sie zu Hause vergeblich auf ein freies Klinikbett warteten. Damit hat Japan seine Vorbildrolle bei der Virusbekämpfung verloren. „Unterm Strich wurden die potenziellen Auswirkungen der Pandemie unterschätzt“, meint der Mediziner Kentaro Iwata.

Mit rund 6.000 Toten und 400.000 Infizierten steht die Inselnation zwar noch besser da als viele westliche Länder. Aber im Asienvergleich schneidet sie nun schlecht ab. Der Abstieg ist hausgemacht. Beim ersten Notstand im April 2020 ließ sich das Virus mit massenhaftem Maskentragen, konsequenter Kontaktvermeidung und einem Fokus auf Infektionscluster bald stoppen.

Auf diesen Lorbeeren ruhte sich die Regierung aber aus und bekämpfte danach lieber die Wirtschaftsschäden als die Pandemie selbst. Mit Subventionen für Restaurantbesuche und Inlandsreisen förderte Suga nicht nur Tourismus und Gastronomie, sondern auch die Ausbreitung des Virus. Diese Hilfen flossen bis in den Dezember, obwohl die Covidwelle längst rollte.

Nun zahlen die Ja­pa­ne­r:in­nen den Preis für Laisser-faire und Ignoranz: Maskentragen reicht nicht mehr. Das Winterwetter führt dazu, dass sich die bewährte Verhaltensregel, enge Räume zu meiden, schwerer einhalten lässt.

Chronischer Mangel an Intensivbetten

Die starke Covidwelle überforderte die schon länger kaputtgesparten Gesundheitsämter. Ihre wenigen Mitarbeiter stellten die Nachverfolgung von Infektionsclustern ein. Bald waren die Krankenhäuser überfüllt, da Japan einen chronischen Mangel an Intensivbetten hat. Auf 100.000 Menschen kommen 13,5 Betten, in Deutschland sind es 34. Auch darum hatte Suga sich nicht gekümmert.

Lieber stecken die Behörden den Kopf in den Sand, indem sie nur die Hälfte ihrer Testkapazität ausschöpfen. „Verstärktes Testen könnte die Kliniken überwältigen“, gestand Regierungsberater Hitoshi Oshitani ein. Private Testanbieter, die die Lücke füllen, müssen Positivergebnisse nicht melden. Die Kehrseite bilden abgewiesene Covidinfizierte, die qualvoll zu Hause sterben. Premier Suga sah sich letzte Woche unter Druck der Opposition gezwungen, sich für diese Zustände zu entschuldigen. Doch schnelle Abhilfe kann er nicht bieten.

Die Regierung hält weiterhin an der Austragung der Olympischen Spiele fest

Das Gesundheitsministerium begnügt sich mit einer Prämie von umgerechnet 35.000 Euro für die Einrichtung eines neuen Intensivbettes. Auf die Idee, medizinische Masken zu verteilen, ist noch niemand gekommen. Lieber lenkte die Regierung die Aufmerksamkeit auf angebliche Sündenböcke.

Zuerst schloss sie erneut die Grenzen, als ob Ausländer die Virusträger seien. Am Montag beschloss das Parlament dann Geldstrafen bis zu 4.000 Euro, wenn ein Geschäft die Sperrzeit missachtet oder Infizierte einen Test verweigern. Dabei gibt es fast keine Coronaleugner. Und bei all dem hält die Regierung weiterhin an der Austragung der um ein Jahr verschobenen Olympischen Spiele von 23. Juli bis 8. August 2021 fest.

Das nächste Desaster wartet schon: Die Impfungen beginnen in Japan frühestens Ende Februar, weil zunächst klinisch geprüft wird, ob Ja­pa­ne­r:in­nen die Vakzine vertragen. Für weitere Verzögerungen hat der zuständige Minister schon einen Schuldigen ausgemacht: Die EU-Exportkontrollen für Vakzine würden den Impfplan durcheinander bringen.

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2 Kommentare

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  • Unser Sohn lebt (mit Familie) und arbeitet in Osaka. Er könnte problemlos mit seiner gesamten kleinen Firma im home-office arbeiten. Aber sein Auftraggeber verlangt Arbeiten vorort, ignoriert die Gefahr und erwartet, dass die Mitarbeiter sich bedenkenlos in den öffentlichen Verkehr stürzen, in Aufzügen, Großraumbüros und den zahlreichen Meetings dem Risiko einer unnötigen Ansteckung aussetzen, die auch deren Angehörige betrifft. Da handelt die japanische Regierung im Verein mit den Arbeitgebern und ihren überaus fügsamen Mitarbeitern mitsamt häufig veralteten IT-Anlagen einfach unverantwortlich! Ich bin ausser mir! Japan will offenbar einfach nicht zur Kenntnis nehmen, um wieviel teurer es für das Land wird, wenn es wie bis jetzt weiter seinen Kopf in den Sand steckt.

  • > Beim ersten Notstand im April 2020 ließ sich das Virus mit massenhaftem Maskentragen, konsequenter Kontaktvermeidung und einem Fokus auf Infektionscluster bald stoppen.



    >



    > Auf diesen Lorbeeren ruhte sich die Regierung aber aus und bekämpfte danach lieber die Wirtschaftsschäden als die Pandemie selbst.

    > Die starke Covidwelle überforderte die schon länger kaputtgesparten Gesundheitsämter. Ihre wenigen Mitarbeiter stellten die Nachverfolgung von Infektionsclustern ein.



    > Bald waren die Krankenhäuser überfüllt, da Japan einen chronischen Mangel an Intensivbetten hat.

    :-|

    Irgendwo kommt einem das sehr bekannt vor.

    Wie heißt die Idee? "Mit dem Virus leben?" Macht das Spaß? Wollen wir vielleicht auch mit Pest, Tollwut, Cholera, Polio, Diphterie und Pocken leben?