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Coronaleugner demonstrieren in BerlinProtestwoche der Nimmermüden

Bis zu 2.000 Coronaleugner zogen gegen die Pandemiepolitik und für Russland durch Berlin. Bis Samstag sollen die Proteste weitergehen

Kurz vorm ersehnten Umsturz? Not Foto: Florian Boillot

Berlin taz | Man hatte sie in den vergangenen Monaten fast vergessen, die Geg­ne­r:in­nen der Coronapolitik und Leug­ne­r:in­nen der Pandemie. Der verbliebene Teil der Dau­er­ak­ti­vis­t:in­nen hatte den „Kampf gegen das System“ zwar nicht aufgegeben, aber ihre Aktionen, die kaum mehr als zweistellige Teil­neh­me­r:in­nen­zah­len anzogen, konnte man getrost ignorieren. Am Samstag aber fand nun die größte Veranstaltung des Spektrums seit Monaten statt. An einer Demonstration vom Brandenburger Tor bis zum Rosa-Luxemburg-Platz, auf dem die Proteste im März 2020 starteten, beteiligten sich Be­ob­ach­te­r:in­nen zufolge bis zu 2.000 Menschen; die Polizei sprach von 1.200.

Ein Wiedererstarken der Bewegung über die eigenen Kernstrukturen war trotzdem nicht zu beobachten; stattdessen kamen all jene zusammen, die sich seit Jahren voll und ganz dem Protest verschrieben haben – von der Freedom Parade um den DJ Michael Bündel („Captain Future“) über die Kommunikationsstelle Demokratischer Widerstand mit Anselm Lenz, das Compact-Magazin mit Jürgen Elsässer oder die Partei Die Basis.

Zusammengeführt haben all die Gruppen das Bündnis „Wir sind viele“ und vor allem der Anlass: Der Jahrestag der ersten bundesweiten Querdenken-Demonstration in Berlin, an der am 1. August 2020 etwa 20.000 Menschen teilnahmen. Der Samstag bildete dabei nur den Auftakt für eine ganze Protestwoche, die bis Samstag andauern wird.

Demonstriert wurde auch für die Freilassung des Stuttgarter Querdenken-Gründers Michael Ballweg, der seit Ende Juni in Untersuchungshaft sitzt. Ballweg wird vorgeworfen, im Mai 2020 durch öffentliche Aufrufe Spenden eingeworben und dabei über die beabsichtigte Verwendung getäuscht zu haben. Einen hohen sechsstelligen Betrag soll Ballweg laut Polizei dabei „zweckwidrig für sich verwendet“ haben.

Unter dem Demo-Motto „Uneingeschränkte Wiederherstellung sämtlicher Grundrechte“ kamen Impfgegner:innen, Ver­schwö­rungs­ideo­lo­g:in­nen und Reichs­bür­ge­r:in­nen zusammen. Viele Teil­neh­me­r:in­nen bekundeten überdies ihre Verbundenheit mit Russland, etwa auch durch das Dschingis-Khan-Lied „Moskau, Moskau“.

Gegenproteste

In diesem Zusammenhang kam es zu zwei Flaschenwürfen auf die Demonstration durch einen ukrainischen Staatsbürger, gegen den die Polizei nun wegen versuchter gefährlicher Körperverletzung ermittelt. Entlang der Strecke wurden auch ein Ei sowie Essensreste auf die Teil­neh­me­r:in­nen geworfen. Sowohl am Holocaustmahnmal als auch am Rosa-Luxemburg-Platz protestierten die Omas gegen Rechts und die Initiative Geradedenken ohne Zwischenfälle gegen den Aufmarsch.

Die Polizei, die mit 200 Be­am­t:in­nen vor Ort war, ermittelt in insgesamt vier Fällen wegen Beleidigung; ein Schild mit einem Davidstern und der Bezeichnung „ungeimpft“ wurde beschlagnahmt, marschähnliches Trommeln untersagt, so die Polizei. NS-Relativierung und antisemitische Stereotype fanden sich auf vielen Schildern.

Zumindest in den Aufrufen versuchten die Or­ga­ni­sa­to­r:in­nen auch das Thema von Inflation und Energiekrise für sich zu vereinnahmen. So warb etwa Michael Bündel mittels eines Sharepics mit dem Spruch: „Ich gehe zur Woche der Demokratie, weil ich diesen Winter weder frieren noch hungern möchte.“

Die Mobile Beratung gegen Rechtsextremismus rechnet derweil nicht mit einem generellen Umsteuern der Szene auf Sozialproteste. Auf Anfrage der taz hieß es: „Sie werden versuchen, auf Proteste aufzuspringen, aber inhaltlich und organisatorisch dürften sie nicht in der Lage sein, eigenständige große Sozialproteste auf die Beine zu stellen.“

Wie radikal die Szene ist, zeigte sich auch am Samstag und in den Mobilisierungstagen zuvor. So bezeichnete der ehemalige Journalist Uli Gellermann Bundesinnenministerin Nancy Faeser als „Rechtsextremistin“ und „Nazi“. In einem Newsletter des Demokratischen Widerstands wurden die Polizeipräsidentin Barbara Slowik und der SPD-Stadtentwicklungssenator Andreas Geisel als „derzeit noch auf freiem Fuß befindliche Neofaschisten“ bezeichnet. Die Polizei hat Ermittlungen gegen den Verfasser, mutmaßlich Anselm Lenz, wegen des Verdachts auf Beleidigung, üble Nachrede und Verleumdung eingeleitet.

In einer von der Freedom Parade geteilten Telegram-Nachricht hieß es über den Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD): „Knallt diesen Psycho ab.“ Am Montag sollen die Proteste mit einem sogenannten Medienmarsch vorbei an verschiedenen Redaktionen, darunter auch der taz, fortgesetzt werden. Bereits am Samstag kam es gegenüber einem Kamerateam des RBB zu „Lügenpresse“-Rufen. Weitere Demos sind für Mittwoch und Donnerstag geplant; am Samstag enden die Tage mit einem Fest im Mauerpark.

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2 Kommentare

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  • Iiiih...was für ein unappetitlicher Mix aus Wagenknecht- und Chrupallamileu. Oder ist das gar kein Mix, sondern ein und dasselbe?

  • Ich bin am Samstag wohl zufällig auf den kleineren Ableger in Frankfurt gestoßen. Die komplette Mischung aus kruden Theorien und vereinfachten Denkweisen, grob wie hier auch beschrieben.

    Irgendwie ist es aber beruhigend zu sehen, dass es mittlerweile wieder eine überschaubare Menge ist. Die Anzahl derer, die aus dem bürgerlichen Spektrum da während der Pandemie mitliefen und das immer noch tun, ist offensichtlich doch sehr gering. Und irgendwie haben wir das doch etwas der FDP zu verdanken...