Coronafälle unter schottischen Fans: Virale Euphorie
Nach einer Studie der einheimischen Gesundheitsbehörde haben sich 1.991 schottische Anhänger bei ihren EM-Reisen mit Corona infiziert.
Überall in London waren sie zu sehen gewesen in ihren blauen Trikots, teilweise im Kilt und auch oft mit Dudelsäcken. In den Sportbars, manchmal bereits am Morgen für ihr Land grölend, oder gemeinsam mit anderen den berühmten Trafalgar Square in der Londoner Innenstadt füllend. Schließlich war es das erste Mal seit 1998, dass sich Schottland für eine Europameisterschaft hatte qualifizieren können. Und dann gab es auch noch ein Match gegen England, jenes Land, von dessen Dominanz sich nach den letzten Umfragen knapp die Hälfte aller Schott*innen mithilfe eines zweiten Referendums trennen wollen.
So machten sich an die 20.000 Personen der Tartan-Armee, wie schottische Fans wegen der karierten Muster ihrer Kilts auch bezeichnet werden, auf zur neuesten Auflage der längsten Rivalität im internationalen Fußball – ob mit oder ohne Eintrittskarte für das Spiel in Wembley. Im dortigen Stadion waren wegen der Pandemie nur 2.600 Plätze für schottische Fans reserviert. Egal. Hauptsache feiern und laut und bunt für Schottland dabei sein.
Die Erinnerung an das fußballerisch eher wenig aufregende 0:0, das von den Schotten allerdings wie ein Sieg gefeiert wurde, ist längst schon wieder Fußballgeschichte, blieb aber manchem, der dabei war, wohl doch länger in den Gliedern stecken als erwartet – buchstäblich. Eine Studie der schottischen Gesundheitsbehörde Public Health Scotland, die am gestrigen Donnerstag veröffentlicht wurde, belegt, dass sich zwischen dem 11. und 28. Juni insgesamt 1.991 Fans bei ihren EM-Reisen mit dem Sars-Cov-2-Virus infiziert haben und an Covid-19 erkrankten. Diese Resultate liegen der Behörde nun auf Grundlage von Tests in den Londoner EM-Stadien Wembley und Hampden sowie aus Kneipen und verschiedenen Public-Viewing-Zonen vor.
Mitgezählt wurden auch Personen, die innerhalb Schottlands zur Fanzone in Glasgow Green gereist sind. Dort wurden allerdings vergleichsweise bescheidene 55 Infizierungen registriert.
Überraschung! Neun von zehn Infizierten waren Männer
Zwei Drittel dieser mit Covid-19 infizierten schottischen Fußballfans, statistisch genau 1.294 Menschen, waren bis nach London gereist. Allein 397 davon waren dabei am 18. Juni bei Schottland gegen England und wurden dort positiv getestet. Die Daten der Gesundheitsbehörde zeigen außerdem, dass 34 Prozent der Positivmeldungen aus Kneipen und Sportbars kamen. Wenig überraschende Zusatzdaten der Studie: Drei Viertel der Infizierten waren zwischen 20 und 39 Jahren alt, 90 Prozent der Infizierten waren Männer. Der deutsche SPD-Gesundheitspolitiker Karl Lauterbach hatte zuvor schon getwittert: „Es haben sich sicherlich Hunderte infiziert und diese infizieren jetzt wiederum Tausende. Die Uefa ist für den Tod von vielen Menschen verantwortlich.“
Die Fußballfans stellen allerdings nur einen kleinen Teil der positiv getesteten Schott*innen. Insgesamt haben sich im gleichen Zeitraum 32.539 Menschen in Schottland mit Covid-19 infiziert. In Schottland werden gesunde, nicht aus Risikogruppen stammende Menschen derzeit erst ab dem 30. Lebensjahr geimpft.
Ob sich die Betroffenen auf der Anreise, im Stadion, in der Londoner Innenstadt oder in den Kneipen infiziert haben, lässt sich natürlich nicht nachvollziehen. Fotos, die in der Nacht des Spiels gegen England gemacht wurden, zeigten, wie sich schottische Fußballfans in der Innenstadt eng aneinanderdrängten, teilweise huckepack herumtanzten und in den Wasserbecken des Shakespeare-Springbrunnens am Trafalgar Square angetrunken herumtobten.
Die spontanen Feiern über das Unentschieden hielten bis in die frühen Morgenstunden an und hinterließen ein derartiges Abfallchaos aus leeren Bierdosen, Flaschen und Tüten, dass mehrere Straßenreinigungsteams mit der Säuberung beschäftigt waren. Neben 30 Festnahmen der Londoner Metropolitan Police lag darüber hinaus ein 27 Jahre alter schottischer Fan aus Fife nicht wegen Covid-19 im Krankenhaus, sondern weil er aus seinem mehrere Stockwerke hohen Hotelzimmer gefallen war.
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