piwik no script img

Coronafälle im italienischen FußballChaos in der Blase

Die Verwirrung um die ausgefallene Partie zwischen Turin und Neapel offenbart die Schwächen des Hygienekonzepts der Serie A.

Großes Theater: das Schiedsrichtergespann bei der überflüssigen Platzinspektion in Turin Foto: ap

Der Corona-Hotspot in der Serie A weitet sich aus. Mittlerweile 22 Angestellte des Erstligisten CFC Genua sind positiv auf das Virus getestet, darunter 17 Spieler. Zwei Spieler der SSC Neapel gaben ebenfalls positive Tests ab. Neapel war letzter Gegner Genuas vor mittlerweile neun Tagen. Das Virus war übergesprungen, weil der zuerst infizierte Spieler, Keeper Mattia Perin, nicht rechtzeitig identifiziert wurde.

Perin machte zwar das Spiel gegen Neapel nicht mit. Sein positives Ergebnis wurde noch vor der Abreise bekannt. Einige seiner Mitspieler hatte er unterdessen aber offensichtlich angesteckt. Die wurden zwar vor der Abreise negativ getestet. Gesund waren sie deshalb aber keineswegs. Zumindest liegt es recht nahe, dass auf diese Weise mittlerweile das Virus auch das gegnerische Team erfasste. So etwas nennt man Infektionskette. Es offenbart zugleich das Versagen des Hy­gie­nekonzepts der Serie A.

Über dieses Hygienekonzept wird nun intensiv gestritten. Kurioserweise – oder sollte man besser sagen, tragischerweise – aber nicht über diese offensichtlichen Kontrolllücken. Stein des Anstoßes ist vielmehr, dass Neapel angesichts der eigenen Erfahrungen auf das Folgematch verzichtete und nicht zur Spitzenbegegnung nach Turin zu Juventus reiste. „Sie haben das Protokoll missachtet“, schimpfte Juve-Präsident Andrea Agnelli und rieb sich ob des erwarteten 3:0-Sieges am grünen Tisch bereits die Hände. Die Disziplinarkommission leitete auch ein Verfahren gegen Neapel ein.

Sicher ist der Ausgang aber nicht. Laut Meldung der Gazzetta dello Sport ist mit einem Urteil vor dem Wochenende nicht zu rechnen. Konkurrenzblatt Tuttosport prognostizierte sogar eine juristische Schlacht bis zum Ende der Saison. Denn die Gemengelage ist ziemlich kompliziert.

Juventus in der Gruppenquarantäne

Das Hygieneprotokoll der Serie A sieht tatsächlich vor, dass Teams noch spielfähig sind, wenn sie mindestens 13 gesunde Sportler, darunter einen Torwart, haben. Bei positiven Fällen müssen diese isoliert werden. Die anderen Spieler und Betreuer müssen in Gruppenisolation und müssen sich dabei häufigeren Tests unterziehen, alle zwei Tage statt im Normalfall alle vier. Der Trainingsbetrieb soll aber weitergehen. Und zu den Spielen kann diese Gruppenquarantäne dann auch verlassen werden, als wandernde Blase dann. Dies hat Neapel tatsächlich missachtet. Andererseits hat die Blasenkonstruktion aber erst den Hotsport Genua ermöglicht.

Neapels Gesundheitsämter legten im vorliegenden Falle schließlich fest, dass das Team die Gruppenquarantäne eben nicht verlasen durfte. Neapels Präsident Aurelio de Laurentiis fügte dieses Verbot den Akten für das Sportgericht bei.

Allgemein gilt in Italien, dass die Gesundheitsbehörden in Sachen Corona die höhere Entscheidungsbefugnis haben. Hier wehrt sich aber noch der organisierte Fußball. „Neapel hat das Protokoll verletzt, weil der Klub von sich aus die Gesundheitsbehörden informiert hat“, lautet die formal korrekte, inhaltlich aber ziemlich fragwürdige Argumentation von Genua-Präsident Enrico Preziosi in dieser Debatte. Preziosi hätte seinerseits besser schneller als erlaubt die Ärzte auf sein Trainingsgelände lassen sollen. Dann gäbe es das ganze Durcheinander nicht. Auch der Ligaverband hat sich nicht mit Ruhm bekleckert. Neapel bat um Verlegung des Spiels; dem wurde aber nicht stattgegeben.

Für die Serie A steht viel auf dem Spiel. Wird Neapel bestraft, wird damit vernünftiges Handeln bestraft. Geht der Klub straffrei aus, bedeutetet das eine Entwertung des Hygienekonzepts – und größere Planungsunsicherheiten, wenn auch andere lokale Gesundheitsbehörden über An- und Abreise der Teams entscheiden.

Ein Zeichen für die sich zuspitzende Situation ist zudem, dass Liga-Präsident Paolo dal Pino gerade positiv getestet wurde. Es gibt ohnehin mehrere Infektionsherde in der Serie A. Insgesamt 25 Profis von neun Vereinen waren nach der Rückkehr aus dem Sommerurlaub positiv. Aktuell sind zwei Juventus-Mitarbeiter positiv getestet worden. Juventus befindet sich deshalb auch in der Gruppenquarantäne. Aus der verdrückten sich aber gerade die Nationalspieler – auch das eine Verletzung des Hygieneprotokolls, merkte die Gazzetta dello Sport an. Große Verwirrung also, und kein Ende abzusehen.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

0 Kommentare

Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

Wir machen Silvesterpause und schließen ab Montag die Kommentarfunktion für ein paar Tage.
  • Noch keine Kommentare vorhanden.
    Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!