Corona und Föderalismus: Lob der föderalen Institutionen
In der Bekämpfung der Pandemie zeigt sich, wie wichtig die Leistungsfähigkeit kommunaler Strukturen ist.
D ie Pandemie verändert unsere soziale Aufmerksamkeit. Waren noch vor wenigen Wochen die öffentlichen Güter und Reaktionssysteme bestenfalls ein funktionales Hintergrundrauschen der auf ewigen Fortschritt getrimmten Ökonomie, so sind sie heute eine Überlebensvoraussetzung. Das gilt für das Gesundheitswesen. Aber auch öffentliche Verwaltung, Polizei und Sozialarbeit, Busfahrer und Lebensmittelhändler erleben neue Wertschätzung.
Doch was passiert, wenn in der kolossalen Staatsschuldenkrise, auf die wir zusteuern, die gesellschaftlichen Verteilungskonflikte klein gearbeitet werden? Wird der Beifall für die Heldinnen und Helden des Alltags dann nicht längst verhallt sein? Wir sollten daher für die Krise, an deren Anfang wir uns ja erst befinden, etwas sehr Grundsätzliches verstehen lernen. Unser Leben in einer freien und sicheren Gesellschaft ruht auf spezifischen Voraussetzungen, die weder historisch noch aktuell einfach so da sind. Es ruht auf der Versorgung der Kranken, der Verwaltung der öffentlichen Angelegenheiten, der Sicherung von Leib und Leben, der Bildung von Menschen, der kulturellen Erweiterung unserer Lebenshorizonte und der Pflege unserer Umwelt.
All das ist keine Frage des Wohlwollens Einzelner oder einer hohen moralischen Gesinnung, die man je nach Lage feiert, ignoriert oder als Steuerbelastung denunziert. Es ist eine Frage der Leistungsfähigkeit der öffentlichen Institutionen, Güter und Dienste. Und es ist eine kollektive Aufgabe, die wir Arbeitskräften übertragen sollten, die hierfür gut ausgebildet sind und ein vernünftiges Arbeitsumfeld mit adäquater Vergütung vorfinden.
Ein Merkposten für die Krise ist daher, dass mit einer Gesellschaft der Singularitäten keine Zukunft zu machen ist. Ein zweiter Merkposten ist, dass öffentlich bei alledem nicht nationalstaatlich, sondern zunächst regional und kommunal bedeutet. Ein Lob der föderalen Demokratie! Auch Europa wird nur aus starken Regionen mit leistungsfähigen öffentlichen Infrastrukturen heraus die Krise überleben können.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Umgang mit der AfD
Sollen wir AfD-Stimmen im Blatt wiedergeben?
Pistorius lässt Scholz den Vortritt
Der beschädigte Kandidat
Haftbefehl gegen Netanjahu
Begründeter Verdacht für Kriegsverbrechen
Böllerverbot für Mensch und Tier
Verbände gegen KrachZischBumm
Pistorius wird nicht SPD-Kanzlerkandidat
Boris Pistorius wählt Olaf Scholz
IStGH erlässt Haftbefehl gegen Netanjahu
Wanted wegen mutmaßlicher Kriegsverbrechen