Corona in Vietnam: Der Soldat bringt das Mittagessen
In Vietnam steigen die Infektionszahlen, Stadtbewohner dürfen ihre Wohnungen nicht mehr verlassen. Soldaten versorgen sie mit Lebensmitteln.
Doch die strikten Maßnahmen scheitern, seit die besonders ansteckende Deltavariante Vietnam erreicht hat. Dabei trifft Corona das Land nicht gleichmäßig. Viele Orte sind noch coronafrei. 80 Prozent der Infektionen betreffen die südliche Neunmillionenmetropole Ho-Chi-Minh-Stadt und ihren Industriegürtel. Bürgermeister Nguyen Thanh Phong und sein Gesundheitsdezernent wurden bereits abgesetzt.
In der Stadt gilt seit dieser Woche eine strikte Ausgangssperre. 90 Prozent der Betriebe mussten die Produktion einstellen. Wo noch gearbeitet wird, müssen die Mitarbeiter im oder am Werk übernachten. Das führt in Lebensmittelbetrieben zu Konflikten mit der Hygiene.
Stadtbewohner dürfen ihre Wohnungen nicht einmal mehr zum Einkauf verlassen. Stattdessen arbeiten geimpfte und regelmäßig getestete Soldaten Einkaufslisten ab. Sie kontrollieren zugleich die Einhaltung der Ausgangssperre. Die Regierung gab die militärische Losung aus: „Die Epidemie zu bekämpfen, bedeutet den Feind zu bekämpfen.“
Produkte werden teuer
Die Nachfrage nach militärischer Einkaufshilfe ist verhalten. Zum einen, weil das Einkaufsverbot mit Ansage erfolgte, man sich also rechtzeitig mit Vorräten eindecken konnte. Zum anderen sind die Waren teuer. Das liegt daran, dass Bauern und Fischer aus den umliegenden Dörfern nicht mehr in die Stadt kommen, um ihre Produkte zu verkaufen und stattdessen teure Importware angeboten wird. Viele Menschen, die keine Arbeit mehr haben, können sich das nicht leisten. Sozialhilfe gibt es in Vietnam nicht. Die Regierung hat aber begonnen, Bedürftigen kostenlose Essenspakete zu geben.
Doch die erreichen nicht alle. Youtube-Videos, die von der Zensur nach kurzer Zeit gelöscht werden, zeigen Menschen mit Schildern und der Aufforderung, ihnen Essenspakete zu bringen.
Brisant ist auch die Lage der Wanderarbeiter. Seit sie ihre Arbeit verloren haben, können sie sich die teuren Mieten in Ho-Chi-Minh-Stadt nicht mehr leisten. Ende Juli kam es deshalb zur Massenflucht von Wanderarbeiter in ihre Heimatdörfer. Das hat die Regierung dann gestoppt, damit das Virus nicht in anderen Provinzen gebracht wird. Seitdem gibt es obdachlose Wanderarbeiter in der Stadt.
Wohnen auf engstem Raum wird zum Problem
Experten machen die Wohnverhältnisse und das schlechte Gesundheitssystem dafür verantwortlich, dass sich das Virus trotz aller Kontaktbeschränkungen verbreiten kann. Die Menschen wohnen meist beengt, oft teilen sich zwei bis vier Personen ein Zimmer. Hochhäuser verfügen über zentrale Lüftungs- und Klimaanlagen. Die blasen die Luft von einer Wohnung in die andere. Örtliche Verwaltungen empfehlen, bei Covidfällen in Wohnblöcken die Klimaanlagen abzuschalten. Bei Temperaturen um 39 Grad ein wenig praktikabler Vorschlag.
Hoffnung macht, dass die Impfkampagne endlich Fahrt aufnimmt. In Vietnam sind etwa 15 Prozent der Bevölkerung einmal geimpft, in Ho-Chi-Minh-Stadt fast 80 Prozent. Das Land hatte 2020 keine Impfstoffe bestellt und auch lange keine Haushaltsmittel für den Einkauf eingestellt, sondern auf eine Eigenentwicklung gesetzt. Die ist aber noch in der Testphase.
Internationale Investoren, deren Firmen wegen des Lockdowns derzeit nicht produzieren können, drängen jetzt westliche Regierungen, Impfstoff zu liefern. US-Vizepräsidentin Kamala Harris, die gerade zu Besuch in Hanoi ist, sagte die schnelle Lieferung von einer Million Impfdosen zu.
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