Corona in Frankreichs Schulen: Pandemieplanung von der Partyinsel
Frankreich war lange stolz auf seine Politik der offenen Schulen. Doch inzwischen wird der Bildungsminister scharf kritisiert
Blanquer galt lange als Musterschüler der Regierung. In der Pandemie trat er schon früh dafür ein, die Schulen offen zu halten, während in den Nachbarländern die Schüler:innen monatelang von zu Hause aus lernen mussten. Doch die „école ouverte“, für die die Regierung sich gerne selbst lobt, stieß schnell an ihre Grenzen. Vor allem, weil der Bildungsminister den Schulen die nötigen Mittel verwehrte: umfassende Testkapazitäten, CO2-Messgeräte und FFP2-Masken für alle Lehrer:innen.
Die Omikron-Welle mit einer landesweiten Inzidenz von über 3.000 auf 100.000 Einwohnern pro Woche führte dazu, dass am vergangenen Freitag laut Bildungsministerium mehr als 14.000 der gut 527.000 Klassen geschlossen waren. 25.500 Lehrer:innen waren krankgemeldet, ohne dass es einen Ersatz für sie gab. Es gehe nicht darum, in der Schule nur eine Kinderbetreuung anzubieten, kritisierte der Elternverband FCPE den massiven Unterrichtsausfall.
Zusammen mit mehreren Gewerkschaften rief er am Donnerstag erneut zu einem Aktionstag gegen das Pandemiechaos auf, der allerdings deutlich weniger Echo fand als noch eine Woche vorher. Am 13. Januar hatten laut Gewerkschaften 75 Prozent der Lehrer:innen gestreikt.
Lehrer:innen unterrichten noch mit Stoffmasken
„Erschöpfung und Verzweiflung der Bildungsgemeinschaft haben seit Schulbeginn im Januar ein noch nie da gewesenes Ausmaß erreicht“, hieß es in einer gemeinsamen Erklärung von elf Gewerkschaften. Sie gaben dem Minister die Schuld an dem Chaos, weil er ständig die Regeln ändere, Auflagen nicht umsetzbar seien und es an Mitteln fehle. So verweigerte Blanquer bisher die geforderten CO2-Melder und sagte erst zum Monatsende chirurgische Masken für die Lehrerinnen und Lehrer zu, die noch immer mit Stoffmasken unterrichten.
Blanquer, der zum Jahresanfang gleich drei verschiedene Regelwerke für die Schulen innerhalb einer Woche präsentierte, wirkt mit der Situation überfordert. Den Streik der Lehrer:innen hatte der frühere Leiter der Wirtschaftshochschule ESSEC mit der Bemerkung abgetan: „Man streikt nicht gegen ein Virus.“
Oppositionsvertreter wie der grüne Präsidentschaftskandidat Yannick Jadot kritisierten seine Missachtung für die Lehrerschaft und forderten seinen Rücktritt. „Es herrscht ein Missverhältnis zwischen dem, was die Lehrer 24 Stunden vor Schulbeginn erlebten und einem Minister, der sehr weit weg war von unseren Sorgen“, bemängelte Sophie Vénétitay von der Gewerkschaft Snes-FSU in der Zeitung Figaro.
Auch die Eltern sind zunehmend von Blanquer genervt. Nachdem sie ihre Kinder nach einem Covid-Fall in der Klasse zunächst nur mit einem Schnelltest wieder in die Schule schicken konnten, stellte die Regierung vergangene Woche auf Selbsttests um. Die Frage ist allerdings, ob diese bei den Kindern ohnehin unbeliebten Tests auch tatsächlich gemacht werden. Der Elternverband FCPE fordert deshalb, kostenlos Masken auszugeben und an den Schulen flächendeckend Speicheltests anzubieten.
Inzwischen nahm Regierungschef Jean Castex das Pandemiemanagement an den Schulen selbst in die Hand. Nach der Mobilisierung vergangene Woche traf er sich mit Gewerkschaften und Elternvertreter:innen und versprach, 3.300 Aushilfslehrer:innen einzustellen und 5 Millionen FFP2-Masken an das Lehrpersonal in den Grundschulen zu verteilen. Blanquer räumte ein, dass seine Reise nach Ibiza eine falsche Symbolik vermittelt habe. „Das war vielleicht ein Irrtum“, sagte er im Fernsehen.
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