Corona in Berlin und die Clubs: Auch Clubszene nicht immun
Immer mehr Clubs werden aus der Innenstadt verdrängt: eine Diskussion zum Thema dreht sich dann aber um das Coronavirus. Rettungsfonds gefordert.
Anwesend waren vier Schlüsselfiguren der Clubszene: Pamela Schobeß, Vorsitzende der Clubcommission und Betreiberin des Clubs Gretchen, Jakob Turtur, Betreiber des ehemaligen Clubs Johnny Knüppel, Michaela Krüger, Pressesprecherin der Griessmuehle, und Sascha Disselkamp, Vorstandsmitglied der Clubcommission und Betreiber des Sage Clubs, wo auch der KitKatClub zu Hause ist.
Die Diskussion sollte über Bass und Baunutzungsverordnung gehen, über Rave und Repression, über die Verdrängung von Clubs aus dem innerstädtischen Raum, über die Einführung von Kulturschutzgebieten. Über die Anerkennung von Clubs als Kulturstätten statt bislang als Vergnügungsstätten wie Bordellen und Sexkinos. Über die Lage in der neulich geschlossenen und vorübergehend im Exil weiter agierenden Griessmuehle. Über die Zukunft des gefährdeten Sage Clubs. Eigentlich.
Doch nun stellt auch das neuartige Coronavirus eine Existenzbedrohung für Berlins Clubszene dar. Knapp die Hälfte der bis Dienstagmorgen 48 bestätigten Covid-19-Infizierten in Berlin hatte sich vermutlich in Clubs angesteckt: In McFit-Chef Rainer Schallers Club am Alexanderplatz The Reed oder dem Loungeclub Trompete am Lützowplatz.
Berghain macht dicht
Damit ist die Clubszene nun in den Fokus gerückt. Mittlerweile führen einige Clubs Kontaktlisten beim Einlass, um alle Gäste im Fall eines Ausbruchs zu benachrichtigen. Die Clubcommission hat eine Taskforce gebildet, am Montag fand ein Krisentreffen mit 50 Clubbetreibern statt. Die Clubcommission empfiehlt zudem, die Gästeauslastung auf 70 Prozent zu reduzieren. Aber Gäste bleiben den Clubs von alleine fern.
Seit Mittwoch sind Veranstaltungen mit mehr als 1.000 Gäste verboten, doch Berliner Amtsärzte fordern, dass grundsätzlich alle Sport- und Kulturveranstaltungen jeglicher Größe nicht mehr stattfinden sollen. Das Berghain, das mit einer Kapazität von 1.500 Menschen zu den größten Clubs der Stadt zählt, kündigte am Mittwoch an, dass alle Veranstaltungen bis zum 20. April ausfallen. Ein großer Schritt, den sich allerdings nicht jeder Club leisten kann.
„Wenn wir vier Wochen nicht offen haben, bedeutet das einfach die Insolvenz. Wirtschaftlich ist es ein Desaster“, sagte Pamela Schobeß im leeren Club. Im Gretchen gebe es schon Besucher*innenrückgänge und abgesagte Veranstaltungen. Einige internationale DJs können oder wollen nicht anreisen. „Wir sind in einem Dilemma, weil wir natürlich die Gefahren sehen. Aber auf der anderen Seite hat fast niemand von uns die Rücklagen, um vier Wochen zu überleben. Mit einem Schlag wird eine gesamte Branche wegbrechen.“
Für Schobeß stehen Clubs inhaltlich mit Opern und Theatern gleich, weil sie auch ein Kulturprogramm kuratieren. Ein wichtiger Unterschied zu solchen staatlich finanzierten Institutionen aber: „Wir sind so bekloppt, dass wir Geld selbst erwirtschaften, um ein Kulturprogramm auf die Beine zu stellen. Das ist ohnehin etwas Schwieriges. Wir machen das aus Leidenschaft und für die Musik.“ Von dem Geld bleibe aber nicht viel übrig. Das führe auch dazu, dass viele Clubs die extremen Mietsteigerungen der letzten Jahre schlicht nicht tragen können.
„Total unter Druck“
Caren Lay von der Linksfraktion fordert dringend eine finanzielle Unterstützung: „Damit Clubs, die ohnehin schon total unter Druck stehen, jetzt nicht auch noch das Genick gebrochen wird“. Das gelte auch für sämtliche Kultureinrichtungen, so Lay weiter, aber natürlich auch für Leute, die keinen festen Arbeitsvertrag haben. Viele in der Clubszene arbeiten unter sehr prekären Bedingungen, an der Garderobe, am Einlass, aber auch hinter dem DJ-Pult.
Die Clubcommission fordert nun ein Rettungsfonds vom Senat. Bei einer Zwangsschließung von vier Wochen werde ein Rettungspaket in Höhe von mindestens 10 Millionen Euro benötigt, heißt es. Am Ende hat die Coronakrise vom eigentlichen Thema des Abends gar nicht abgelenkt. Vielmehr ist die Situation sinnbildlich dafür, wie prekär und fragil die Clubszene doch ist. Wer Theatern hilft, muss auch Clubs helfen. Denn sie gehören zur Identität der Stadt.
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