Corona: Polizei und Kontaktverbot: Die autoritäre Gefahr
Strikte und noch dazu auf Wirksamkeit ungeprüfte Maßnahmen werden in Berlin rigide durchgesetzt. Das ist gefährlich.
L eben während der Corona-Pandemie ist in vielerlei Hinsicht gruselig. Nicht nur, dass die Todeszahlen in vielen Ländern steigen, auch werden in Berlin und anderen Städten und Ländern wissenschaftlich nicht-evaluiert massive Einschränkungen des Lebens durchgeführt. Deren soziale und wirtschaftliche Folgekosten sind ebenso unabsehbar wie die Wirksamkeit der Maßnahmen. Es ist ein Ritt auf der Rasierklinge.
Und natürlich bleiben die meisten Menschen, auch in Berlin, zuhause. Aber welchen Nutzen hat es, wenn man in einem Park nicht mal alleine auf einer Bank ein Buch lesen darf? Und wie hilft es, wenn die Polizei in einschüchternder Weise und mit breitbeinigem Auftreten unklare Regeln des Kontaktverbots durchsetzt.
Selbst, wenn man Polizist:innen keinen bösen Willen unterstellt, lassen die Regelungen einen gefährlichen Handlungsspielraum für die ausführende Exekutive. Denn die es als Gewaltmonopolist ohnehin gewohnt, Spielräume zu nutzen. Das ist gefährlicher, als es klingt.
Denn Trupps von Polizist:innen, die zur Durchsetzung des Infektionsschutzgesetzes tags, aber vor allem auch nachts durch leere Straßen ziehen, werden vor allem auf Leute stoßen, die nicht anders können, als sich dort aufzuhalten: Obdachlose, Menschen, denen zuhause in der zu kleinen Wohnung ohne Balkon die Decke auf den Kopf fällt, und Leute, die in psychischen Ausnahmezuständen sind, möglicherweise befeuert durch eine andauernde Isolation.
Auf eine Decke setzen, ist nicht gefährlich
Natürlich gibt es auch Personen, die sich simpel nicht an Abstandsregeln halten und die könnten sicher einen Hinweis verkraften, wie das denn nun ist mit dem Infektionsschutz. Aber Leute, die alleine im Park sitzen zu vertreiben, ist nicht erforderlich. Zumal sich die meisten Leute an den Mindestabstand halten und wenn nicht, leben sie ohnehin schon miteinander.
So strömten gegen Mittwochabend auch Hunderte vom Schillerkiez aufs Tempelhofer Feld und ließen sich dort auf den Wiesen nieder. Aber warum soll man sich auch nicht mit einer Decke in den Park setzen, solange man einen gewissen Abstand einhält oder sogar Atemschutz trägt oder sich einen Schal umwerfen? Soll Buch lesen in der Sonne wirklich verboten sein? Ja, tatsächlich, sagte Polizeipräsidentin Barbara Slowik am Donnerstag. Die Grenze des Erlaubten sollten ihrzufolge die Einsatzkräfte mit Fingerspitzengefühl vor Ort ziehen.
Solange Fingerspitzengefühl von Polizisten dafür verantwortlich ist, was im öffentlichen Raum erlaubt ist und was nicht, herrscht Ungewissheit. Genau dieser rechtsunsichere Raum aber führt zu autoritärem Überdrehen bei Polizei und Ordnungsämtern. Racial Profiling und der Benachteiligung von Ärmeren dürfte das Vorschub leisten. Zahlreiche Fälle sind in den sozialen Medien unter dem Hashtag #CoronaPolizei bereits dokumentiert. Es ist gut, dass es dieses Hashtag gibt. Wir sollten dort ganz genau hinschauen und aufschreien. Notfalls auch nur am Fenster und in den sozialen Medien.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Greenpeace-Mitarbeiter über Aufrüstung
„Das 2-Prozent-Ziel ist willkürlich gesetzt“
Selbstzerstörung der FDP
Die Luft wird jetzt auch für Lindner dünn
Rücktritte an der FDP-Spitze
Generalsekretär in offener Feldschlacht gefallen
Stellungnahme im Bundestag vorgelegt
Rechtsexperten stützen AfD-Verbotsantrag
Ampel-Intrige der FDP
Jetzt reicht es sogar Strack-Zimmermann
Keith Kelloggs Wege aus dem Krieg
Immer für eine Überraschung gut