Corona-Pandemie in Indien: Drittmeisten Infektionen der Welt
In Indien ist der Pandemie-Verlauf regional sehr unterschiedlich. Eine hohe Dunkelziffer wird befürchtet. Armut nimmt dramatisch zu.
Doch die Entwicklung ist regional unterschiedlich. Neben der Hauptstadt Delhi gab es eine starke Zunahme der Neuinfektionen in den südindischen Staaten Tamil Nadu, Karnataka und Telangana, wo zuletzt die Zahl der Tests erhöht wurde. Premierminister Narendra Modi verkündetet Anfang Juli, kostenlose Lebensmittelrationen für 800 Millionen Menschen bis Mitte November zu verlängern, was sich wie ein Eingeständnis liest, dass die Krise noch lange nicht überwunden ist.
Erst am Sonntag rückte Indien in der Rangfolge, der am stärksten betoffenen Länder mit über 790.000 Covid-19-Infektionen (Stand Freitag) vor Russland auf Platz drei. Und Indien bricht weitere Rekorde. Am Dienstag überstieg die Zahl der Verstorbenen mit Coronavirus die Marke von 20.000 und liegt mittlerweile bei über 21.000. Unterdessen wurden in Indien 10 Millionen Covid-19-Tests durchgeführt.
Derzeit verdoppeln sich in Indien alle 20 Tage die Zahl der Corona-Infizierten. Die Todesrate liegt (mit 2,8 Prozent) weniger hoch als in den USA (4,4) oder Deutschland (4,6). Gesundheitsbehörden befürchten allerdings, dass die Todesfälle in den kommenden Wochen deutlich ansteigen könnten und es eine große Dunkelziffer geben könnte.
Generell haben die Coronafälle in Indien nach Lockerungen der Ausgangsbeschränkungen zugenommen. Eine Verlängerung eines harten Lockdowns war wirtschaftlich nicht mehr tragbar. Seit Ende März haben Millionen Menschen ihren Arbeitsplatz verloren. Wer sich das Leben in den Großstädten nicht mehr leisten konnte, ist in die Heimat zurückgekehrt. Mit ihnen hat sich auch das Virus auf dem Land verbreitet.
Lokale Maßnahmen
Es zeichnet sich ab, dass es in Indien zu mehreren lokalen Covid-19-Höhepunkten kommen könnte, da die Verbreitung unterschiedlich stark verläuft. Vielerorts setzt man bereits auf lokale Maßnahmen wie Ausgangssperren in Vororten von Mumbai oder der Stadt Thiruvananthapuram in Kerala, auch um die Krankenhäuser und Gesundheitsmitarbeiter zu entlasten, die oftmals an ihre Grenzen stoßen.
Durch die Pandemie mussten andere Gesundheitsbereiche zurückstecken, wie die Bemühungen zur Ausrottung von Polio (Kinderlähmung). In Mumbai nehmen sich Ärzte und Ärztinnen wie Nazish Shaikh nun vermehrt werdenden Müttern und Neugeborenen an. „Wir weiten gerade das Immunisierungsprogramm aus und konzentrieren uns auf das Impfen von Neugeborenen“, sagt die Medizinerin. Zwar könnte sie kurz mit den BewohnerInnen Dharavis aufatmen, doch die Lage ist weiter angespannt.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Christian Lindner
Die libertären Posterboys
Israel, Nan Goldin und die Linke
Politische Spiritualität?
Comeback der K-Gruppen
Ein Heilsversprechen für junge Kader
Prozess gegen Letzte Generation
Wie die Hoffnung auf Klimaschutz stirbt
Machtkämpfe in Seoul
Südkoreas Präsident ruft Kriegsrecht aus
Olaf Scholz’ erfolglose Ukrainepolitik
Friedenskanzler? Wäre schön gewesen!