Corona-Inzidenz in Berlin sinkt: Getrübte Hoffnung

Die 7-Tage-Inzidenz rutscht unter 1.000. Doch Euphorie über die Rückkehr zum Alltag will sich wegen des Ukraine-Kriegs nicht einstellen.

Das Bild zeigt ein Bierglas an einem Zapfhahn.

Neue Öffnungen sind beschlossen, aber in Kriegszeiten begeistert auch ein Nach-Corona-Bier weniger Foto: dpa

Jetzt noch über den Höhepunkt der Omikron-Welle, dann wäre es geschafft. Dann würden nacheinander all die Einschränkungen fallen: Die Pflicht, vielerorts Impfung oder Tests nachzuweisen; dann die Beschränkung auf Treffen in nur kleinen Kreis; schließlich die Maskenpflicht, vielleicht anfangs in der Schule, später auch am Arbeitsplatz. Alles möglich durch die erst in den vergangenen Wochen zunehmend gesicherte Erkenntnis, dass die Corona-Variante Omikron vorwiegend milde verläuft und andernfalls in den Krankenhäuser genug Platz und Wissen da ist, mit ernsteren Verläufen klar zu kommen.

Erstmals seit Mitte Januar sank in dieser Woche die 7-Tage-Inzidenz – weiterhin das Maß der Dinge – in Berlin unter die 1.000er-Marke. Frühling würde es auch bald werden, nicht nur kalendarisch und wettermäßig, sondern auch in Sachen Lebensfreude. So die Hoffnung.

Das wird nun leider anders. Die Beschränkungen werden zwar fallen. Der Senat hat am Dienstag in Absprache mit den anderen Bundesländern dafür den bisher größten Schritt dazu getan: Aus einer 2G-Beschränkung ist 3G geworden, ins Fußballstadion dürfen wieder ähnlich viele Menschen wie zuletzt im Herbst, und für den Sport im Freien gibt es gar keine Beschränkungen mehr. Sogar Clubs dürfen wieder zum Tanzen öffnen.

Doch das erhoffte Frühlingsgefühl wird nicht wirklich aufkommen, bis die Kämpfe in der Ukraine vorbei sind – und dann auch nur, wenn das Schweigen der Waffen nicht für eine ukrainische Kapitulation steht.

Es passt nicht wirklich zusammen

Natürlich wird die Aussicht auf das erste mehr oder weniger postpandemische Helle im Biergarten erstmal Glücksgefühle auslösen. Aber irgendwann, mutmaßlich ziemlich schnell, wird es sich auch dort unweigerlich einstellen: dieses Gefühl, dass das eigene Wohlbefinden und in neuer Freiheit schwelgen nicht mit dem Leiden weiter östlich in Europa zusammen passt.

Das Sterben in der Ukraine hingegen ist neu – und vor allem: nah

Natürlich sind schon immer schreckliche Dinge passiert, während man oder frau es sich im Biergarten und anderswo gut gehen ließ. In jedem Moment verhungern auf der Welt Kinder, werden anderswo Kritiker nieder gemacht, Menschenrechte mit Füßen getreten, wird die Natur zerstört und die Zukunft des Planeten riskiert. Das war und ist schlimm, aber irgendwie fest im Hintergrund verankert.

Das Sterben in der Ukraine hingegen ist neu – und vor allem: nah. Nähe ist nicht nur ein journalistisches Prinzip der Nachrichtenauswahl, sie macht für alle Schreckliches greifbarer.

Keiner und keine soll sich nun bewusst das erwähnte Helle versagen. Selbstkasteiung trifft nicht die russische Führung, sondern höchstens den Biergartenwirt, der sich vielleicht so gerade über die Pandemie gerettet hat. Es ist wie immer: Es muss und wird weiter gehen, auch wie immer. Bloß wird dieses erste Post-Corona-Bier irgendwie nicht so gut schmecken wie vielleicht vor wenigen Wochen noch erhofft.

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Jahrgang 1967. Seit 2002 mit dreieinhalb Jahren Elternzeitunterbrechung bei der taz Berlin. Schwerpunkte: Abgeordnetenhaus, CDU, Grüne.

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