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Corona-Ausbruch am Mount EverestDer Berg röchelt

In Nepal läuft die Everest-Saison. Nun wird ein Covidausbruch im Base Camp der zahlreichen Bergsteiger gemeldet.

Mächtig Betrieb trotz Corona: Am Mount Everest rechnet man mit einem neuen Bergsteigerrekord Foto: Rizza Alee/ap/dpa

Vermeldet werden wieder die saisonüblichen Rekorde vom höchsten Berg der Erde: Der erste blinde Chinese war am Montag auf dem Mount Everest. Am selben Tag stand der Bergführer Kami Rita Sherpa zum 25. Mal auf dem Gipfel. Auch dass die erste Frau aus Belarus oben war, eine Audi-Managerin, ist zu lesen. Oder dass Tsang Yin Hung aus Hongkong mit 25:50 Stunden als bislang schnellste Frau den Gipfel erreichte. Und dass mit 75 Jahren Arthur Bennett Muir der bislang älteste US-Amerikaner oben war.

In dieser Saison wird mit 408 von der nepalesischen Regierung ausgestellten Permits und geschätzten 800 Bergsteigern ein neuer Everest-Saisonrekord aufgestellt. Schon 270 waren heuer oben, Ende der Woche soll es wieder Aufstiegswetter geben. Dann gibt es wieder Stau vorm Gipfel.

Doch es gibt auch diesen Rekord: Ungefähr 100 positiv auf Corona getestete Bergsteiger sollen sich im Everest Base Camp aufhalten. Das ist ein Zeltdorf mit derzeit etwa 1.300 Bewohnern. Die Zahl 100 wird von dem österreichischen Expeditionsveranstalter Lukas Furtenbach mitgeteilt, der daher seine Expedition abgebrochen hat.

„Wir haben darüber keine Berichte erhalten“, erklärte Mira Acharya vom nepalesischen Tourismusministerium einer Nachrichtenagentur. Die Regierung hat Gründe, einen Covid-Ausbruch im auf 5.200 Meter gelegenen Basecamp zu leugnen oder wenigstens kleinzureden. Zu wichtig ist der Everest für die Tourismusindustrie. 2019 waren, je nach Quelle, zwischen 1,2 und 2 Millionen Gäste in Nepal, im Pandemiejahr 2020 waren es nur 47.000. Über 800.000 Nepalis leben direkt vom Tourismus.

45 Prozent positive Tests

Und die Covidkrise hat Nepal ähnlich wie das Nachbarland Indien voll erwischt. Auf 3.000 Einwohner kommt nur ein Krankenhausbett. Von 185 Krankenhäusern im Land haben nur 26 Sauerstoffanlagen, und von denen funktionieren nicht alle. Und dann wurde noch gemeldet, dass zwischen Mitte April und Mitte Mai 45 Prozent der Coronatests positiv ausgefallen sein sollen.

Für das Everest Base Camp waren schon früh Verhaltensregeln aufgestellt worden. Die engen Schlaf- und Versorgungszelte, die im Gebirge teils notwendige körperliche Nähe und fehlendes Wissen, wie sich die sauerstoffarme Höhenluft auf eine Coviderkrankung auswirkt, hatten die Sherpas, die das Camp betreiben, handeln lassen. Seit im April ein positiv getesteter norwegischer Bergsteiger ausgeflogen werden musste, sind die Regeln noch strikter gefasst:

Die Sherpa-Bergführer leben in ihrem eigenen Zeltdorf. „Wenn wir jemand Neues um unser Camp gehen sehen, untersuchen wir das sofort“, sagte ein Führer dem Magazin Time. Für die Sherpas ist das Selbstschutz. Mit dem Hubschrauber evakuiert zu werden, kostet sie 3.000 Dollar, das ist etwa das halbe Jahreseinkommen eines Bergführers. Und was er oder sie in einem Jahr am Everest verdient, kommt überwiegend im April und Mai rein.

Das Geschäft am höchsten Berg der Welt machen andere, nicht die Angehörigen des Bergvolks der Sherpa, die fast alle irgendwie von Bergsteigern und Trekkern im Everestgebiet leben. Vor ein paar Tagen ist wieder einer von ihnen beim Abstieg zu Tode gekommen: Wong Dorchi Sherpa, die Todesumstände sind nicht bekannt. Auch Pemba Tashi Sherpa kam in dieser Saison schon um, der Bergführer fiel in eine Gletscherspalte. Vier Tote sind es insgesamt in dieser Saison bislang, ein Schweizer und ein US-amerikanischer Bergsteiger kamen ebenfalls am Berg um, beide starben an Erschöpfung. Auch das sind ja die saisonüblichen Meldungen.

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6 Kommentare

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Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

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  • Die Meisten, die diese "tolle Leistung" vollbringen, kaufen sich den Gipfelerfolg einfach, indem Sie ihr Gepäck von Einheimischen hochschleppen lassen und sich an vorher verlegten Fixseilen mit künstlichem Sauerstoff von Bergführern wie der Hund an der Leine hochziehen lassen.



    Dass der Himaleya kein Spielplatz ist zeigt sich dann bei Wetterstürzen, die dann regelmäßig Tote fordern. So What! Es sollte jeden klar sein, was er tut wenn er die 200 000 USD für das Sorglospaket überweist.

  • So ganz aktuell ist diese Meldung ja nicht. In anderen Medien las man schon vor über einer Woche darüber.

    Oder wollte die TAZ einfach noch etwas zuwarten, um sicherzustellen, dass die nepalesische Regierung ihre Haltung nicht doch ändert?

  • Es ist furchtbar traurig, da leisten Menschen Unglaubliches, und dann wird nur gemeckert. Es ist durch toll, einmal im Leben über sich hinaus zu wachsen und eine Höchstleistung zu vollbringen.



    Eine Freundin aus Chongqing hat es gerade am 23. Mai auf den Gipfel der Qomolangma (Everest) geschafft. Ein Jahr intensive Vorbereitung, dann wurde die Besteigung wegen COVID abgesagt, dann noch einmal ein Jahr hartes Training. Mangels anderer Trainingsmöglichkeiten u.a. jeden Tag mit einem schweren Rucksack die Treppen im Hochhaus in Chongqing hoch und runter.



    Auf den Qomolangma ist nicht eine touristische Tour, die man sich kaufen kann, das ist eine absolute Höchstleistung! Und es sind nicht alles “reiche Schnösel”, die das Geld übrig haben, einen Sponsor zu finden und zwei Jahre bei Laune zu halten, ist auch Teil der Vorbereitung.



    Für eine Frau hat die Besteigung auch etwas Emanzipatorisches, der Ehemann kümmert sich zwei Jahre um den Haushalt, hält ihr den Rücken frei, damit sie sich ganz auf das Training konzentrieren kann.



    Nepal ist ein sehr armes Land, und braucht die Einnahmen. Viele Bergsteiger bleiben ihr Leben lang mit den wunderbaren Nepalesen verbunden, dem Vorbild Sir Hillarys folgend wird die Mehrzahl der Schulen und Krankenhäuser im Himalayagebiet durch Spenden von Bergsteigern und Trekkern finanziert.



    Zumindest die chinesischen Bergsteiger waren vor dem Flug nach Nepal zwei Mal geimpft, das Risiko durch Covid für sich und andere ist gering.

    • @Blauer Apfel:

      Für einen ausgewachsenen Alpinisten wird die Besteigung des Everest in einem solchen Rahmen immer eine "touristische" sein. Dazu muss man noch nicht mal den Reinhold fragen...



      Es gibt alpinistisch reizvollere und anspruchsvollere Routen, mit denen man mehr Medien sammeln kann, als mit einer geführten Everest-Besteigung auf dem Normalweg.



      So bleibt es für mich dabei, dass es den meisten ausschließlich um den Thrill geht, auf dem höchsten Berg der Erde gewesen zu sein.

      • @Alfonso el Sabio:

        Es sollte heißen "Meriten", nicht "Medien". Sorry, blöde Rechtschreibkorrektur.

  • Der Bergsteigergruß "Berg heil!" bekommt angesichts des hohen Krankenstandes im Basislager eine ganz andere Bedeutung. Denn angesichts der Tatsache, dass man als Teilnehmer einer solchen (touristischen) Expedition einen ordentlichen 5-stelligen Betrag in die Hand nehmen muss, ist es mehr als ärgerlich, wenn man an diesem Ende der Welt dann plötzlich mit Covid-19 im Lager liegt. Der Gipfel ist damit gelaufen. Eben doch nicht alles heil am Berg.



    Heil ist auch die dortige Umgebung nicht mehr, da viele Hinterlassenschaften unterschiedlichster Art Basislager und Aufstiegsroute zieren.



    Um dem alpinistischen Anspruch noch gerecht zu werden, sollten Aufstiege über die Normalroute nur noch ohne Sauerstoff erlaubt sein, oder allenfalls bei alpinistisch anspruchsvolleren Aufstiegsrouten.



    Wenn man denn in Nepal unbedingt mit dem Gipfel touristisch Kapital machen möchte, dann kann man doch gleich einen Aufzugsschacht zum Gipfel hinauftreiben, so dass Hinz und Kunz im Druckkammer-Aufzug auf 8800 m hinauffahren kann. Da gibt's dann auch einen höheren Durchsatz =Mehrerlöse.