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Corona-App in ChinaFurcht vor bleibender Überwachung

China kontrolliert in der Corona-Pandemie seine Bürger per Smartphone. Nun wächst die Angst, dass die Bespitzelung Dauerzustand werden könnte.

Rote Haare, grüner Coronastatus. Bei dieser Frau in Peking wird die Temperatur gemessen Foto: Kevin Frayer/getty images

Peking taz | In der Coronapandemie bestimmt eine Gesundheits-App den Alltag der Chinesen. Vor Supermärkten, Bars oder Krankenhäusern muss jeder Bürger zunächst einen QR-Code mit seinem Smartphone scannen. Zutritt bekommt meist nur, wer einen grünen Schriftzug auf seinem Display vorweisen kann: „Kein abnormaler Zustand“, steht dann unter einem abfotografierten Ausweis. Die App belegt also, dass ihr Nutzer weder Covid-19 hat noch aufgrund seiner Bewegungsabläufe der letzten 14 Tage Verdachtsfall ist.

Mit stoischer Gelassenheit hat die Bevölkerung die digitale Überwachung hingenommen, schließlich diente sie der Suche nach Infektionssträngen. Dass der QR-Code nun jedoch zum Dauerzustand zu werden droht, hat einen Sturm der Entrüstung ausgelöst.

Die Lokalregierung der 9-Millionen-Einwohner-Metropole Hangzhou südlich von Schanghai schlägt vor, die im Februar eingeführte „Praxis des Gesundheitscodes zu normalisieren“. So soll jedem Bürger künftig via QR-Code nicht nur eine Ampelfarbe zugewiesen werden (von Grün über Gelb bis Rot), sondern auch eine Punktzahl von 0 bis 100, die den Gesundheitszustand messbar macht.

In die Endnote würden nicht nur Krankenakte und Gesundheitstests einfließen, sondern auch persönliche Daten über den Lebensstil der Bürger: Alkoholkonsum, Rauchverhalten und das generelle Bewegungsniveau. Die örtlichen Gesundheitsbehörden planen nach eigenen Angaben sogar, mit Hilfe von Big Data auch Gesundheitsprofile für einzelne Wohnanlagen und Unternehmen zu erstellen.

Kritik auf Weibo

Auf Weibo, dem dominierenden sozialen Medium in China, sorgt der Vorschlag für Entrüstung. Eine Gesundheitspunktzahl könnte etwa zur Diskriminierung bei Bewerbungsgesprächen führen, heißt es. Vor allem aber dreht sich die Onlinedebatte um die Einschnitte in die Privatsphäre: „Es ist schwierig, die Macht wieder zurückzudrängen, nachdem sie sich einmal ausgebreitet hat. Das war schon immer so in der Menschheitsgeschichte“, sagt ein Nutzer. Ein anderer spottet: „Wenn ich krank werde, muss ich es dann die ganze Welt wissen lassen?“

Wenn ich krank werde, muss ich es die ganze Welt wissen lassen?

Weibo-Nutzer

In China herrschen zwar im Vergleich zu Europa in Sachen Datenschutz wenig Bedenken, doch vor allem die Stadtbewohner aus der wohlhabenden Ostküstenregion sorgt die zunehmende Überwachung. Auch von offizieller Seite haben Experten nach mehr Datenschutz gerufen: Die Cyberspacebehörde des Landes sprach sich beispielsweise dafür aus, dass die während der Pandemie gesammelten Daten der Nutzer ausschließlich zur Seuchenprävention verwendet werden.

Am Montag hat die Kommunistische Partei während des Nationalen Volkskongresses angekündigt, ein neues Datenschutzgesetz auf den Weg zu bringen. Bislang müssen etwa Unternehmen sensible Daten an die Regierung weitergeben, wenn es um Interessen der nationalen Sicherheit geht.

Während der Coronakrise haben die meisten Chinesen die digitale Überwachung zwar diszipliniert befolgt. Gleichzeitig jedoch hat die App vor Augen geführt, wie ausgeliefert der Bürger gegenüber einer fehleranfälligen Technologie ist. An einem Sonntag im April beispielsweise spuckte die App für in Peking lebende Ausländer plötzlich einen gelben QR-Code aus – also ein Zeichen zum Daheimbleiben -, jedoch ohne ersichtlichen Grund.

Die Gesundheitsbehörden aus Hangzhou haben sich weder von technischen Mängeln noch der Entrüstung auf sozialen Medien abschrecken lassen. Der permanente QR-Code könnte bereits im Juni eingeführt werden.

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9 Kommentare

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  • Wenn sich der gemeine Chinese verdeutlichen will, wie seine Regierung von der Sinnhaftigkeit des dauerhaften QR Codes im Ernstfall zu überzeugen gedenkt, so darf er seinen Blick gen Hongkong schweifen lassen.

  • Die Behörden haben tausend Möglichkeiten, auf unseren handies Spionagesoftware vom Typ "Orwell 1984" zu installieren. Schließlich werden wir laufend gezwungen, Werbefenster zu bestätigen, von denen wir nicht wissen, was sich darunter verbirgt.



    Mir wäre es sehr viel angenehmer, wenn wir dem ganzen Spuk ungewollter Werbung ein Ende setzen würden und regelmäßig unsere Rechner von nicht datenschutzkonformer Software gereinigt würde. Das wäre einfach möglich, ist aber von verbrecherischen Industrie- und sonstigen Kreisen nicht gewünscht.



    Zu den sonstigen zähle ich Geheimdienste. Die Polizei arbeitet praktisch nur noch mit solchen apps. Oder haben Sie in den letzten Jahren noch oft Polizisten auf der Straße gesehen, die nicht nur zur Anwesenheitsdemonstration eingesetzt wurden? Außendienst im Lehnstuhl vor dem Rechner ist bereits Standard.



    Freiwillig an die Öffentlichkeit, heißt die Lösung. Auf den ganzen Spuk unkontrollierbarer scipts können wir dann verzichten.



    Meiner Meinung genügt es, wenn über relativ wenige LEDs das Einschalten der Sensoren angezeigt werden und die vorgeschriebenen staatlichen Internetbeauftragten bei den providern wieder abgeschafft werden.



    Wir sind das Volk und kontrollieren uns selbst. Auch über ein bitte öffentliches Corona-app. Der sogenannte Datenschutzbeauftragte ist alles andere als öffentlich. Praktisch keiner hatte widersprochen, als Minister Kanter uns in ehrlicher Absicht fragte. Dummes Volk.



    Orwell hats gesagt, Kanter hats gesagt, und ihr habt zugestimmt.

    • @Bernd Schlüter:

      Sehr phantastisievoll, aber wenig realistisch, was Sie sagen. Es ist nicht so einfach, möglicherweise unmöglich, eine solche Software einzusetzen. Und Sie hätten immer noch die Möglichkeit, das Handy nicht zu benutzen. Daher wäre die Umsetzung der Orwellschen Überwachung zum Scheitern verurteilt, selbst wenn sie gewollt wäre. Noch, noch, aber wie lange noch? Die Entwicklung geht eindeutig Richtung Überwachung à la China.



      Wenn es hier kein Staat schafft, werden es Unternehmen schaffen. Mit großer Wahrscheinlichkeit wird es aber die künstliche Intelligenz schaffen. Noch ist es nicht so weit. Noch.

    • 4G
      4813 (Profil gelöscht)
      @Bernd Schlüter:

      Jetzt relativieren sie aber zwischen der gigantischen allumfassenden Überwachung durch den chinesischen Staat, der vermutlich auch chinakritische Ausländer ausspäht und den deutschen Schlapphüten, die es nicht schaffen, G20-Gewalttäter und islamistische Terroristen im Griff zu haben.



      Wir haben nicht 1984 in Deutschland!

  • Erster Satz und schon falsch:



    "China kontrolliert in der Corona-Pandemie seine Bürger per Smartphone"

    Wie jeder weis - Stichwort Scoring - wurden die Chinesen schon zuvor via Smartphone und Millionen von Kameras mehr oder minder lückenlos überwacht.

  • Datenschutzbedenken sind das Eine. Mindestens ebenso bedenklich finde ich, daß diese ganze App-Nummer das ohnehin viel zu überzogene Vertrauen in technische Lösungen komplexer Probleme noch weiter pushen wird. (So wie die Maskenpflicht das Abstandsgebot weitgehend ausgehebelt hat.) Und daß so ein Alarmsystem in der Westentasche einen weiterem Schritt in Richtung Zwietrachtgesellschaft gleichkommen könnte. Bereits jetzt rutschen genug Menschen in Paranoia und Mißtrauen ab. Wie soll das erst werden, wenn uns unsere elektronischen Begleiter Tag und Nacht gemahnen, daß zwischenmenschliche Kontakte und Begegnungen potentiell toxisch sind?

  • Das ist doch nur ein weiterer Schritt in die Überwachungsmaschinerie. Das kommt, nicht nur in China. Warten wirs ab, wie lange es dauert bis auch in den ach so demokratischen Ländern wie unseren sich diese Ideen durchsetzen. Auch bei uns ist die Masse dafür bereit, frei nach dem Motto: ICH habe nichts zu verbergen.

    • @joaquim:

      Frei nach Snowden, dann sollen sich die Leute halt beim Sex mit dem Partner filmen und das Ganze an die Krankenkasse schicken, ob das gesundheitsschädlich ist.

      Ach nun doch was zu verbergen? Ja mei..

    • @joaquim:

      Dass ein Mensch glaubt, er hätte nichts zu verbergen, bedeutet nicht unbedingt einen Freibrief für Leute, die andere gegen ihren Willen überwachen wollen.

      Was ich mit wem genau teilen möchte, würde ich schon gerne selbst bestimmen. Einschüchtern lasse ich mich deswegen aber noch lange nicht von der Drohung, meine Worte könnten gegen mich verwendet oder sonst irgendwie missbraucht werden. Lieber gehe ich ein Risiko ein, als mir selbst das Kommunizieren zu verbieten oder einen Rüstungswettlauf zu beginnen.

      Wer unbedingt ein Arschloch sein will, den kann ich dran nicht gut hindern. Auch dadurch nicht, dass ich mich vorsorglich einmauere. Also bitte: Wer mich zum Schweigen bringen will, der muss sich schon als Arschloch outen. Ob ihm das letztlich etwas nutzt, muss er schon selbst rausfinden.