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Container & Kartelle„Nicht in, sondern vor der Krise“

Der Chef der Reederei Hamburg-Süd Ottmar Gast überrascht die Hafenprominenz - mit dem Ausblick auf anhaltend schwache Frachtraten.

Hamburg-Süd Geschäftsführer Ottmar Gast blickt freundlich - in eine düstere Zukunft. Bild: dpa

HAMBURG taz | Ottmar Gast ist immer für eine kecke Überraschung gut. „Wann ist diese Krise überwunden – gibt es überhaupt eine Krise?“, fragte er die anwesende maritime Prominenz auf der Jahrestagung des Deutschen Seehafenzentralverbandes ZDS in Hamburg. Die Antwort des Chefs der zweitgrößten deutschen Reederei, Hamburg-Süd: „Wir befinden uns nicht in einer Krise.“

Keine Krise? Dabei klagt die maritime Wirtschaft seit Jahren über den Verfall der Frachtraten; über Ladungsmengen, die noch immer hinter den guten alten Zeiten bis 2008 zurückbleiben – und Überkapazitäten, die durch Schiffsneubauten weiter zunehmen.

Doch „die Krise“ ist für Gast der Normalfall. Aus Sicht der Reedereien: „Die Carrier haben mehr oder weniger schlechte Renditen seit dem Zusammenbruch der Konferenzen Mitte der achtziger Jahre.“ Konferenzen waren legale Kartelle, die nach 1945 für hohe Preise sorgten. Inzwischen gibt „es keine Zyklen mehr, auch keinen Schweinezyklus“. Hinter dem verschanzt sich die maritime Wirtschaft nämlich bis heute gerne als unschuldiges Opfer des branchenüblichen Konjunkturzyklus’, der einem Ringelschwanz ähnele.

Nur noch „externe Faktoren“, so Gast, sorgen für ein Auf und Ab. Als Folge der im Sommer 2007 ausgebrochenen globalen Finanzkrise war das Jahr 2009 „extrem“ schlecht. 2010 konnten Reedereien dann noch einmal sechs, sieben Monate lang Gewinne einfahren, weil Konkurrenten massenhaft Schiffe stilllegten und der wieder anziehenden Weltkonjunktur misstrauten. Seither laufe das Geschäft zäh wie vor der Krise. „Seit 2010 hat die Branche kein Geld verdient“, so Gast.

Überschätzter Zuwachs

Die deutschen Seehäfen bleiben optimistisch: Das erste Halbjahr hebe sich "recht positiv" vom durchwachsenen 2013 ab, hieß es vergangene Woche beim Verband ZDS.

Der Güterumschlag in den deutschen Seehäfen wuchs demnach immerhin schneller als die Wirtschaft um 2,7 Prozent. "Voraussichtlich" werde die Dynamik im zweiten Halbjahr "etwas nachlassen", gibt ZDS-Präsident Klaus-Dieter Peters zu. "Mittel- und langfristig" seien die Perspektiven aber "nach wie vor sehr gut", so Peters, im Hauptberuf Vorstandsvorsitzender der Hamburger Hafen und Logistik AG (HHLA).

Beistand kommt aus dem Bundesverkehrsministerium in Berlin: Nach dessen "Seeverkehrsprognose" wird das Umschlagsvolumen in Deutschlands Seehäfen von rund 300 Millionen Tonnen im laufenden Jahr auf 468 Millionen Tonnen im Jahr 2030 wachsen.

Für Pfeifen im Walde halten Hafen-Kritiker wie Hamburg-Süd-Boss Ottmar Gast solche Äußerungen: Frühere amtliche und wissenschaftliche Prognosen hatten den Anstieg beträchtlich überschätzt.

Ein Seehandelsvolumen, das nur minimal zunimmt, dazu Reeder, die ihre globalen Linienverkehre durchrationalisieren, bedeuten weniger Schiffe, die immer kürzer am Kai liegen - und zwar dort, wo die Hafengebühren besonders günstig sind. (hape)

„Zu viel Geld auf der Welt“

Schuld sind Überkapazitäten an Schiffsraum von schätzungsweise einem Drittel und entsprechend schwache Raten für den Transport von Containern, Kohle und Bananen. Daran werde sich in absehbarer Zeit nichts ändern: Jede einzelne Reederei benötige möglichst viel Schiffsraum, um möglichst große Ladungsmengen aufzunehmen. Nur so könnten die hohen Betriebskosten für Energie und Seeleute sowie logistische „Skaleneffekte“ ausgenutzt werden.

Zudem beschleunigen Umweltauflagen ab 2015 und hohe Treibstoffkosten den Bau neuer Frachter, die für „Slow Steaming“ – langsame Fahrt – und weniger Abgase entworfen wurden. Darum bestellen Reeder und Finanziers immer neue, bessere Schiffe und auch immer größere. Außerdem: „Es gibt zu viel Geld auf der Welt.“ Und das suche händeringend nach Anlagemöglichkeiten.

Eine Verringerung des weltweiten Ladevolumens werde daher auch „langfristig nicht gelingen“, sagt der gelernte Entwicklungsingenieur. „Überkapazitäten sind immanent.“ Gast sieht obendrein ein nachhaltiges Ende der früheren, fast zweistelligen Wachstumsraten des Seeverkehrs voraus. Von der Welthandelsorganisation UNCTAD Ende vergangener Woche veröffentlichte Zahlen stützen ihn: Über die blaue Straße wurden 2013 mit 9,6 Milliarden Tonnen kaum mehr Waren transportiert als 2008, und die Frachtraten bleiben „schwach“.

Auf eine unausbleibliche Konjunkturerholung zu setzen, wie es in der norddeutschen Hafenwirtschaft üblich ist, sei daher ein Fehler. Die „Containerisierung“ – mittlerweile werden auch Kaffeebohnen und Autos in Stahlboxen versendet – und die internationale Arbeitsteilung über die hohe See hinweg seien weitgehend vollzogen.

Die zur Oetker-Gruppe gehörende Hamburg-Süd schaut daher nach weiteren Partnern aus. An der Übernahme der chilenischen Reederei CCNI wird seit dem Sommer gearbeitet, um das Kerngeschäft, den Linienverkehr nach Südamerika, zu stärken. Und es gilt Kosten zu senken. Und die schlummern – ein weiterer Seitenhieb gegen die übliche Branchensicht – an Land: 60 Prozent aller Kosten fallen aufgrund der industrialisierten Logistik und enger Fahrpläne in den Häfen an.

Gast sieht nur zwei Auswege für die Reedereien: Fusionen und Pleiten. „Die Konsolidierung wird fortgesetzt, dürfte sich bald beschleunigen.“ Nur wenige Riesen werden das überdauern. Für Hamburg und die Häfen an Nord- und Ostsee sind das schlechte Nachrichten.

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