Kommentar Neuer UN-Bericht: Zahlen, die rohe Gewalt verkörpern
Täglich werden 5,3 Billionen Dollar um den Globus geschickt, um mit Devisen zu spekulieren. Dieser Geldtransfer ist desaströs.
Es klingt abstrakt: Täglich werden etwa 5,3 Billionen Dollar um den Globus geschickt, um mit Devisen zu spekulieren. Es sind nur Zahlen im Computer, aber sie verkörpern rohe Gewalt. Die Entwicklungs- und Schwellenländer sind den Geldströmen wehrlos ausgeliefert und werden immer wieder in Wirtschaftskrisen gestürzt.
Die UN-Welthandels- und Entwicklungskonferenz (Unctad) fordert daher jedes Jahr wieder, dass die Kapitalströme endlich eingedämmt werden. Doch das interessiert die reichen Industrieländer nicht. Auch der neue Unctad-Bericht wird ungelesen im Archiv landen.
Denn die Ideologie ist stärker: Freihandel wird absolut gesetzt. Durch TTIP ist vielen Deutschen bewusst geworden, wie problematisch der schrankenlose Verkehr von Waren sein kann. Doch noch desaströser ist ein anderer Freihandel – der unkontrollierte Transfer von Geld.
Das Spiel heißt „Carry Trade“. Spekulanten nehmen Kredite in Ländern auf, wo die Zinsen niedrig liegen – um das Geld dann in Staaten anzulegen, die höhere Renditen versprechen. Gewinne sind dabei garantiert, auch weil Kursgewinne winken: Wenn viele Finanzinvestoren in das gleiche Land drängen, dann wertet dessen Währung auf.
Für die betroffenen Länder ist die Geldflut eine Katastrophe. Denn wenn die eigene Währung plötzlich aufwertet, werden die heimischen Waren auf dem Weltmarkt teurer, und die Exporte brechen ein. Noch schlimmer: Irgendwann ziehen die Spekulanten ihr Geld wieder ab, kündigen die Kredite – und bringen die Entwicklungsländer in Finanznot.
Der „Wirtschaftsflüchtling“ ist zu einem geflügelten Wort geworden – das suggeriert, der Flüchtling sei schuld an seinem Schicksal. Doch tatsächlich werden sie von einer globalen Wirtschaftsordnung vertrieben, die die Profitinteressen weniger Spekulanten wichtiger nimmt als die Lebenschancen von Millionen Menschen.
Links lesen, Rechts bekämpfen
Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen
meistkommentiert
BSW in Thüringen
Das hat Erpresserpotenzial
Friedenspreis für Anne Applebaum
Für den Frieden, aber nicht bedingungslos
BSW in Sachsen und Thüringen
Wagenknecht grätscht Landesverbänden rein
Rückkehr zur Atomkraft
Italien will erstes AKW seit 40 Jahren bauen
Klimaschädliche Dienstwagen
Andersrum umverteilen
Tech-Investor Peter Thiel
Der Auszug der Milliardäre aus der Verantwortung