piwik no script img

Compliance-Vorwürfe in zwei MinisterienWissing erneut unter Druck

Ein Mitarbeiter des Verkehrsministeriums soll in der FDP-Zentrale gearbeitet haben. Auch im Innenministerium soll es Ungereimtheiten geben.

Unter Druck: Im Haus von Verkehrsminister Volker Wissing (FDP) gibt es Ungereimtheiten Foto: Michael Kappeler/dpa

Berlin taz | Im Bundestag häuft sich die Kritik am Umgang mit öffentlichen Geldern in Verkehrs- und Innenministerium. Die Unionsfraktion und die Linke forderten am Donnerstag Aufklärung, nachdem verschiedene Medien über mögliche Compliance-Fälle in den beiden Ministerien berichtet hatten.

Die Bild-Zeitung hatte unter Verweis auf interne Aussagen aus dem Verkehrsministerium über einen dortigen Mitarbeiter geschrieben, der einer Tätigkeit in der FDP-Parteizentrale nachgehe. Der Spiegel berichtete über einen anderen Fall im Innenministerium, in dem ein hochrangiger Beamter fragwürdige Kontakte zu einem Berater der Firma McKinsey gehalten haben soll.

„Allmählich muss man sich nicht nur aufgrund Volker Wissings fachlicher Performance, sondern auch aufgrund seiner Unzuverlässigkeit im Umgang mit dem Geld des Steuerzahlers fragen, ob er den richtigen Job hat“, erklärte der stellvertretende Vorsitzende der Unionsfraktion, Ulrich Lange, mit Blick auf den Verkehrsminister gegenüber der taz.

Laut den Berichten der Bild soll ein Mitarbeiter aus Wissings Haus mehrmals die Woche seinen gesamten Arbeitstag in der FDP-Parteizentrale verbringen. Das Büro des Beamten im Verkehrsministerium werde nicht genutzt, Arbeitsnachweise im Ministerium gebe es von ihm auch keine.

„Offenbar sieht es der Minister im Umgang mit Steuergeldern nicht so eng. Das ist ein Unding“, so Lange. Der CSU-Abgeordnete zieht eine Parallele zum mittlerweile geschassten Leiter der Grundsatzabteilung im Verkehrsministerium, den Wissing wegen eines gestörten Vertrauensverhältnisses im Februar 2024 entlassen hatte.

Vorangegangen waren Berichte über Ungereimtheiten bei der Vergabe von Fördermitteln für Wasserstoffprojekte, bei denen dem Beamten Vetternwirtschaft vorgeworfen wurde. „Nachdem Volker Wissing seinen Abteilungsleiter ‚Mister Wasserstoff‘ bereits wegen Mauscheleien mit Fördergeldern entlassen musste, sieht es jetzt danach aus, als schicke er auch noch einen Top-Beamten zum Arbeiten in die FDP-Parteizentrale“, sagte Lange.

Union will im Bundestags-Innenausschuss beraten

Die Union fordert auch Aufklärung in dem anderen Fall, der das Innenministerium betrifft. Nach Recherchen des Spiegels soll es im Haus von Innenministerin Nancy Faeser (SPD) zu Ungereimtheiten bei der Auftragsvergabe für Digitalisierungsprojekte gekommen sein – in Zusammenhang mit persönlichen Kontakten eines Abteilungsleiters im Innenministerium.

„Sollten im Innenministerium Steuergelder nicht rein nach fachlichen Kriterien eingesetzt worden sein, wäre das ein ungeheurer Vorgang“, erklärte die stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Union, Andrea Lindholz. Die Union werde den Vorgang im Bundestags-Innenausschuss auf die Tagesordnung setzen, um den Vorwürfen nachzugehen.

Auch die Linke im Bundestag ist empört. „Ministerien und Behörden dürfen nicht mit Scheinanstellungen für Parteikader missbraucht werden“, sagte Christian Görke, parlamentarischer Geschäftsführer der Linken im Bundestag. Der Fall im Verkehrsministerium sei besonders brisant, weil FDP-Finanzminister Christian Lindner „überall mit dem Rotstift über die Budgets fährt und vielen Behörden durch Personalmangel die Arbeit“ erschwere. „Statt Budgets mit Scheinanstellungen für einen FDP-Apparatschik zu nutzen, wäre das Geld für mehr Personal bei der Zentralstelle für Sanktionsdurchsetzung im Kampf gegen russische Oligarchen besser eingesetzt“, sagte Görke.

Wie sieht es im Beamtenrecht aus?

Das Bundesverkehrsministerium verweist auf taz-Anfrage darauf, dass in der Angelegenheit alles rechtmäßig verlaufen sei. Der Beamte sei vom Bundeswirtschaftsministerium ans Verkehrsministerium versetzt worden. Dabei sei ihm eine Teilzeitstelle mit einem Umfang von zwei Dritteln als Co-Leiter des Referats Politische Koordinierung übertragen worden. „Zudem wurde ihm eine von ihm beantragte Nebentätigkeit für die FDP-Bundespartei mit maximal 8 Stunden pro Woche genehmigt“, sagte eine Sprecherin. Der Antrag sei geprüft und mit dem Beamtenrecht für vereinbar erachtet worden.

„Beide Tätigkeiten sind strikt voneinander getrennt und dürfen nach der Nebentätigkeitsgenehmigung nicht vermischt werden. Diese Vorgaben werden eingehalten“, sagte die Sprecherin. Die Arbeitszeit für das Verkehrsministerium sei erfasst und nachgewiesen worden. Beschäftigte des Ministeriums dürften bis zu 60 Prozent ihrer Arbeitszeit von einem mobilen Platz aus erbringen.

Allerdings: Das Beamtenrecht sieht vor, dass Nebentätigkeiten unter bestimmten Umständen zu untersagen sind. Laut Paragraf 99 des Bundesbeamtengesetzes gilt das für den Fall, dass die Nebentätigkeit „die Unparteilichkeit oder Unbefangenheit der Beamtin oder des Beamten beeinflussen kann“.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

2 Kommentare

 / 
Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

Wir machen Silvesterpause und schließen ab Montag die Kommentarfunktion für ein paar Tage.
  • Ich weiß nicht, warum sich da jemand wundert: Die Parteien -bis hin zu Habecks grünen Mit'kämpfern' - sind doch durchseucht von -viel zu oft auch männlichen- Emporkömmlingen, anders hätte es Spahn, Linnemann, Scholz, Lindner -besonders bemerkenswert auch Philip Amthor oder Kevin Kühnert- nicht nach oben gebracht. Zuerst kommt die Person und dann der dazugehörige Populismus: Ohne 'Beziehungen' keinen auskömmlichen Job. Eigentlich wollten wir einmal Wiederwahl-Grenzen ziehen und viele Probleme UNABHÄNGIGEN Fachleuten anvertrauen. Das wäre demokratisch...

  • Die FDP hat einfach eine kurze Personaldecke. Man braucht schon eine gehörige Prise neoliberalen festen Glaubens, um trotz Intelligenz dem Lindnerkurs folgen zu können.



    Vielleicht mehr als bei anderen Parteien.Und ja, ich kenne kluge FDPler persönlich, doch die verdrehen gerade auch die Augen.

    Wissing soll gefälligst seine Arbeit machen, und das schließt einfachste Tätigkeiten zum Klimaschutz und zur Verkehrswende und zur Digitalisierung ein. Dann verzeihe ich ihm auch anderes.