„Compact“-Konferenz in Leipzig: Aufbegehren gegen rechte Reden
Aktivisten wollen gegen eine „Compact“-Konferenz in Leipzig vorgehen. Auch die nochmalige Teilnahme an der Buchmesse soll verhindert werden.
Nach drei Jahren in Berlin kehrt die Compact-Konferenz am kommenden Samstag nach Leipzig zurück. Aus den einstigen Tabubrüchen ist mittlerweile Normalität geworden. Vor allem AfD und Pegida haben für einen schleichenden Gewöhnungseffekt gesorgt. Dementsprechend sind es vor allem sie, die auf der diesjährigen Konferenz auf der Bühne stehen sollen. Neben Geschichtsrevisionist Björn Höcke und dem wegen Volksverhetzung verurteilten Lutz Bachmann ist zudem Martin Sellner von der „Identitären Bewegung“ angekündigt.
Viele Journalisten und Wissenschaftler greifen im Zusammenhang mit der monatlich erscheinenden Compact zu Begriffen wie „neurechts“, „völkisch“ und „verschwörungsideologisch“, gelegentlich auch „antisemitisch“. Allein ein Blick auf die Titelseiten offenbart die Feindbilder: Geflüchtete, Medien, die USA – und vor allem Angela Merkel, die in den vergangenen Jahren unter anderem mit Hitlerbart, verschleiert und hinter Gittern dargestellt wurde.
„Mit ihrer Qualität, Auflage und Reichweite ist die Zeitschrift einzigartig in der neurechten Szene“, erklärt Steven Hummel. Er gehört zum Aktionsbündnis „No Compact“, welches die Konferenz verhindern oder zumindest stören möchte. Weiter sagt er: „Compact erfüllt eine Schnittstellenfunktion zwischen verschiedenen Gruppen und Akteuren. Es versucht, viele diffuse Strömungen zusammenzubringen und eine Debatte anzustoßen.“ Die Konferenzen seien wichtig für den persönlichen Austausch und um strategische Fragen auszuloten.
Dem vorläufigen Ablaufplan ist zu entnehmen, dass es diesmal darum gehen soll, den „Widerstand“ auf verschiedenen Ebenen zu organisieren: im Parlament, auf der Straße, aber auch in den Gewerkschaften. Was Compact-Chefredakteur Jürgen Elsässer unter diesem Begriff versteht, offenbarte er im Juli 2016 kurz nach dem rassistisch motivierten Massenmord in München.
Niemand weiß, wo in Leipzig die Konferenz stattfindet
Elsässer schrieb damals von einem islamistischen Terroranschlag und rief die Bundeswehr zur Landesverteidigung auf. Als konkrete Maßnahmen forderte er sofortige Ein- und Ausreiseverbote für alle Muslime sowie die „Abriegelung aller Flüchtlingszentren“.
Bislang ist nicht bekannt, wo genau die Konferenz stattfinden wird. Das Aktionsbündnis ruft die Gegner dazu auf, am Samstag um 9 Uhr am Hauptbahnhof zu erscheinen. Gleichzeitig hoffen die Aktivisten darauf, vorher einen anonymen Hinweis zu erhalten. Ein an etwa 40 mögliche Tagungsorte verschicktes Rundschreiben blieb nach eigenen Angaben bislang ohne Resonanz.
Im Rahmen der „Zukunftswerkstatt“ der taz erscheint jeden Freitag statt der Neuland-Seite eine eigene Seite für Leipzig, die taz.leipzig: geplant, produziert und geschrieben von jungen Journalist*innen vor Ort.
Sie haben Anregungen, Kritik oder Wünsche an die Zukunftswerkstatt der taz? Schreiben Sie an: neuland@taz.de. Das Team der taz.leipzig erreichen sie unter leipzig@taz.de
Der Kampf gegen Compact und deren Aktivitäten wird nach dem Wochenende nicht beendet sein. Spätestens im Januar soll der Stadtrat über einen Antrag der Linksfraktion entscheiden, welche die Zeitschrift von der jährlich im März stattfindenden Leipziger Buchmesse verbannen möchte. Die Stadtverwaltung als Gesellschafter soll sich dafür stark machen.
Bereits im vergangenen Jahr hatten zahlreiche Gruppen und Einzelpersonen der Messeleitung einen Offenen Brief geschickt und diese dazu aufgefordert, Compact wieder auszuladen. „Rassistische, nationalistische und antisemitische Propaganda gehört nicht auf eine internationale Veranstaltung wie die Leipziger Buchmesse“, hieß es zur Begründung. Die Messe argumentierte mit der im Grundgesetz verankerten Meinungsfreiheit: Man könne ein Medium nur dann ausschließen, wenn es verfassungswidrig agiere.
Linke wollen „Compact“-Stand verbieten
Juliane Nagel, Mitglied der Linksfraktion, verweist hingegen auf einen Paragrafen in der Gewerbeordnung, wonach Aussteller ausgeschlossen werden dürfen, wenn sie die „erforderliche Zuverlässigkeit“ nicht besitzen. Auf der diesjährigen Buchmesse soll privates Security-Personal gewaltsam gegen Journalisten vorgegangen sein; zudem kletterte ein rechtsradikaler Blogger auf den Compact-Stand, um Gegendemonstranten minutenlang zu filmen und anzuschreien.
Für Nagel wäre ein Ausschluss vor allem ein symbolischer Akt: „Wirtschaftliche Einbußen in größerem Maße sind nicht zu erwarten.“ Die Linke-Stadträtin glaubt derzeit aber nicht an eine Mehrheit für ihren Antrag und rechnet selbst bei SPD und Grünen nur vereinzelt mit Zustimmung.
Zusätzliche Brisanz könnte die Leipziger Buchmesse im kommenden März erhalten, falls der neurechte Antaios-Verlag nach jahrelanger Pause wieder daran teilnimmt. Die ihm organisatorisch nahestehende Zeitschrift Sezession veröffentlichte kürzlich eine entsprechende Andeutung auf ihrer Homepage. Nach den Auseinandersetzungen auf der Frankfurter Buchmesse wäre dem Verlag überregionale Aufmerksamkeit sicher.
Ob Compact am kommenden Wochenende zum Thema der Berichterstattung in den Nachrichten wird, dürfte maßgeblich vom Erfolg des Protests gegen die Konferenz abhängen. Die rassistische Mobilmachung allein sorgt schließlich schon lange nicht mehr für Aufsehen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Rechtsextreme instrumentalisieren Gedenken
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“
Erderwärmung und Donald Trump
Kipppunkt für unseren Klimaschutz
Bundestagswahl am 23. Februar
An der Wählerschaft vorbei
EU-Gipfel zur Ukraine-Frage
Am Horizont droht Trump – und die EU ist leider planlos
Streit um Russland in der AfD
Chrupalla hat Ärger wegen Anti-Nato-Aussagen