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Coming-out von PräsidententochterHunde zeugen keine Katzen

Dominic Johnson
Kommentar von Dominic Johnson

Die Präsidententochter von Kamerun outet sich als lesbisch – das ist in ihrem Heimatland strafbar. Ein mutiger emanzipatorischer Schritt?

Brenda Biya (l.) und ihre neue Freundin Layyons Valença Screenshot: instagram kingnasty

W as ist das für ein Land, in dem das Sexualleben der Tochter des Staatschefs von höchster Brisanz ist? Es ist Kamerun. Dort ist Homosexualität nicht nur verpönt und strafbar, wie in vielen Ländern Afrikas. Allein der Verdacht darauf ist ein Karrierekiller, der zur Erpressung dient.

„In Kamerun befinden wir uns auf einer anderen Stufe, der untersten. Die Homosexualität existiert ja offiziell gar nicht“, sagte 2013 im taz-Interview die ins Exil gezwungene Menschenrechtsanwältin Alice Nkom, die den Verband ADEFHO (Association pour la Défense des Droits des Homosexuelles) gegründet hatte: „Es darf nicht mehr sein, dass jemand öffentlich sagt, Homosexuelle seien wertloser als jedes Tier. Homosexuelle müssen also erst einmal in den Kreis der Menschen geholt werden.“

Alice Nkom findet nun späte Genugtuung: Brenda Biya, die Tochter des Präsidenten, outet sich! Die 27-Jährige veröffentlichte am 30. Juni auf ihrem Instagram-Konto intime Aufnahmen von sich mit dem brasilianischen Model Layyons Valença. „Ich bin verrückt nach dir und ich will, dass die ganze Welt es weiß“, schrieb sie dazu ihren 323.000 Followern. „Bravo Brenda!“, reagierte Alice Nkom.

Brenda Biya ist nicht irgendeine Präsidententochter. Ihr Vater Paul Biya ist der älteste amtierende Präsident der Welt. Er unterdrückt Kamerun seit 1982 und ist mittlerweile 91 Jahre alt. Nur selten zeigt er sich noch öffentlich, angeblich lebt er mehr in Schweizer Sanatorien als im Präsidentenpalast von Yaoundé, sofern er überhaupt noch lebt.

Vollzeitmensch mit Rap-Karriere

Tochter Brenda lebt auch in der Schweiz, als Rapperin namens King Nasty, was nur mit viel Fantasie nicht als Anspielung auf ihre Herkunft zu werten ist. „Hi, mein Name ist Brenda Biya, ich bin die First Daughter von Kamerun und dazu Teilzeitkünstlerin und Vollzeitmensch“, schreibt sie dazu, falls es jemand nicht begriffen haben sollte.

„Vollzeitmensch“ konnte sie wohl erst im Ausland werden. Als die First Daughter daheim als junges Mädchen Yaoundés Clubszene entdecken wollte, erwies sich das als schwierig, denn sobald sie ausging, wurde der Club zum Hochsicherheitstrakt und die Anwesenden wurden vom Personenschutz hinausgeworfen, was den Abend eher sinnlos machte. Ihre Rap-Karriere baute sie dann in Los Angeles auf.

Als ihre Mutter Chantal sie einmal nach Hause holte, stritten sie sich dermaßen, dass beide beim Zwischenstopp in der Schweiz im Krankenhaus landeten, wird berichtet. Ansonsten ist Brenda in Pariser Luxushotels gesehen worden, wo die Zimmerpreise bei 5.000 Euro starten. Als ein Fan sie einmal bat, ihren Vater aufzufordern, Kamerun „freizugeben“, antwortete sie: „Nicht mein Problem.“

Gossip-Thema Nummer eins

Was bei der Luxusgöre Fake ist und was echt, weiß also niemand, vielleicht nicht einmal sie selbst. Und in Gefahr ist sie nicht – erstens lebt sie im Ausland, zweitens ist sie die Tochter des Präsidenten. Aber ihr Outing ist jetzt in Kamerun das Gossip-Thema Nummer eins. Sie will ihre Eltern bloßstellen, glauben manche. In einer patriarchalischen Gesellschaft wie Kamerun fällt Fehlverhalten der Kinder auf die Eltern zurück.

„Sie sind ein echter Mensch. Was Sie sind und was Sie machen, ist die Frucht dessen, was man Ihnen mitgegeben hat. Hunde zeugen keine Katzen“, nimmt sie ein kamerunischer „Offener Brief“ ironisch in Schutz – moniert aber auch, dass während sie ihren nackten Hintern im Internet vorführt, kamerunische Schulkinder mit dem Hintern auf der nackten Erde sitzen.

Besonders im Visier ist Mutter Chantal, die Zweitfrau des Präsidenten Paul nach dem Tod seiner ersten Gattin Irène im Jahr 1992. Irène genoss Respekt, weil sie klaglos den Sohn Franck aufzog, den ihr Mann 1971 mit ihrer Schwester gezeugt hatte; Chantal gilt hingegen als raffgierige Usurpatorin.

Verstörender Blick hinter die Fassade

Der 53-jährige Franck Biya, Brendas Halbbruder, gilt heute als Anwärter auf die Präsidentschaft; Brenda hingegen gilt als missraten. Beides wird auf die Mütter zurückgeführt. Ein bösartiges Gerücht lautet, dass Mutter Chantal ebenfalls in Brendas neue Freundin verliebt ist.

All dies suggeriert: Das Haus Biya zerlegt sich, und die 30 Millionen Menschen in Kamerun schauen zu. Wird Paul mit 92 bei den nächsten Wahlen 2025 – deren Ergebnis genauso feststehen wird wie immer – erneut antreten? Wird er sein Amt Franck überlassen, und was macht dann die mächtige Chantal? Oder stirbt er einfach und dann versinkt Kamerun im Chaos?

Als 2004 schon einmal das Gerücht umging, Paul Biya sei tot, flog er aus der Schweiz nach Hause und sagte: „Es gibt Leute, die sich für meine Beerdigung interessieren. Wir sehen uns in zwanzig Jahren.“ Dann ließ er mit einer Verhaftungswelle Rivalen aus dem Weg räumen – irgendeinen Korruptionsvorwurf gibt es in Kamerun gegen jeden Politiker, notfalls auch einen Homosexualitätsvorwurf.

Die zwanzig Jahre sind seit Juni vorbei. Kamerun darf zittern. Im Land der organisierten Undurchsichtigkeit kann jeder noch so kurze Blick hinter die Fassade verstörend wirken.

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Dominic Johnson
Ressortleiter Ausland
Seit 2011 Co-Leiter des taz-Auslandsressorts und seit 1990 Afrikaredakteur der taz.
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9 Kommentare

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  • Moin.

    Zitat



    "Ein bösartiges Gerücht lautet, dass Mutter Chantal ebenfalls in Brendas neue Freundin verliebt ist."



    Zitat Ende

    Im Sinne der Inklusion, und auch darum geht es ja in dem Artikel, würde ich das Wort "bösartig" weglassen.

    Erstens kann ein Gerücht per se nicht bösartig sein, was jetzt aber nichts mit Inklusion zu tun hat.

    Zweitens würde das Gerücht in einer Welt, in der alle Menschen die sexuelle Orientierung aller anderen Menschen vorbehaltlos akzeptieren, Chantal nicht diffamieren.

    Beste Grüße

    Jörg

    • @Lernkern:

      Natürlich können Gerüchte bösartig sein, wenn Sie das Gerücht streuen jemand ist pedophil oder ein*e Vergewaltiger*in ist das bösartig.

  • Wen interessiert dieses Outcoming,

    Privates und Intimes sollte Privat bleiben....ich lese hier die taz und das bewusst.

    Boulevardgeschichten, Paparazzi Stories sind Markenzeichen der Bild-Zeitung, der Bunte und ähnlicher Knallblätter...

    • @Peace85:

      Es ist ja wohl mehr als offensichtlich, dass es hier nicht um eine Boulevardgeschichte geht! Wer das absichtlich verkennt ist Teil des Problems!

    • @Peace85:

      Orientierungen und Identitäten, die nicht der heterosexuellen Norm entsprechen, sind gerade in afrikanischen Ländern menschenrechtlich brisante Themen aufgrund der dortigen Strafbarkeit und hohen gesellschaftlichen Ablehnung. Uganda hat beispielsweise kürzlich die hierzu Gesetze verschärft.

      Wenn es Sie beruhigt: Viel Privates und Intimes werden sie aus den entsprechenden Ländern zu LGBTQIA+ nicht hören, denn meistens bleibt es gezwungenermaßen tatsächlich privat. Mit gegenteiligem Verhalten können sich die Menschen in erhebliche Schwierigkeiten bringen.

  • Wenn ich solche Artikel lese, wird mir wieder bewusst, wie gut wir es hier in Deutschland haben. Es ist nicht alles perfekt - wird es vermutlich auch nie sein. Aber hin und wieder sollte sich jeder (also auch ich) bei der eigenen Wortwahl prüfen, wenn er wieder den Untergang des Abendlandes propagiert, da es eine Ungerechtigkeit bei der zweiten Nachkommastelle gibt.

  • Na wenn sie Vollzeit Mensch ist, sollte sie das durch ihren Vater gestohlene Geld einfach zurück geben

  • Ist kein "Outing", sondern ein Coming Out (aus eigener Initiative)

    》„Sie sind ein echter Mensch. Was Sie sind und was Sie machen, ist die Frucht dessen, was man Ihnen mitgegeben hat. Hunde zeugen keine Katzen“, nimmt sieein kamerunischer „Offener Brief“ironisch in Schutz – moniert aber auch, dass während sie ihren nackten Hintern im Internet vorführt, kamerunische Schulkinder mit dem Hintern auf der nackten Erde sitzen.《

    Warum es diese gehässige Formulierung hier in die Überschrift geschafft hat, der ganze Artikel eigentlich eher gossip ist (bis hin zur vielleicht stattgefunden habenden Schlägerei mit der Mutter), ist auch nicht nachvollziehbar.

    Sicher, die "Luxusgöre" (Wortwahl!) hat nicht gegen das Regime ihres Vaters aufbegehrt - kann aber gut sein, dass sie vielen Menschen in ihrer Heimat, die wegen ihrer sexuellen Orientierung verfolgt werden, einen großen Dienst erwiesen hat.

    Sollte hier nicht so in den Dreck gezogen werden.

    • @ke1ner:

      Was ist nun der wichtigere Aspekt der ganzen Sache? Die hier zitierte Formulierung ist noch eine der harmloseren Vorwürfe. Unter anderem wirft der Autor der Präsidententochter ihr Luxusleben und ihre Prasserei mit dem Geld der Kameruner vor, während in Kamerun selbst Kinder sterben, weil sie keinen Zugang zu sauberem Trinkwasser haben.