College Football: Gottesfurcht und Konfetti
Abwehrschlacht statt Offensiv-Feuerwerk: In den USA werden die Auburn Tigers in einem bizarren Spiel Universitäts-Meister - weil der Allmächtige es so will.
Einer musste ja schuld gewesen sein. Warum also nicht der liebe Gott. "Ich bin nur sein Werkzeug", keuchte Cam Newton, noch ganz außer Atem nach dem großen Sieg, "er zeigt durch mich seine Größe". Der Quarterback glaubte also: dass er und die von ihm angeführte Mannschaft der Auburn University die University of Oregon mit 22:19 besiegt und damit die Nationale Meisterschaft im College Football gewonnen hatten, war vor allem IHM zu verdanken, dem Ällmächtigen.
Tatsächlich drängte sich, so wie das Finale vor 78.600 Zuschauern in Glendale, Arizona, gelaufen war, eine Einmischung von allerhöchster Stelle auf. Selten hatte man ein Football-Spiel gesehen, das so viele unerwartete Wendungen, Millimeterentscheidungen und absurde Situationen zu bieten hatte.
Das begann damit, dass alle Vorhersagen der Experten über den Haufen geworfen wurden. Die hatten ein Offensiv-Feuerwerk der beiden besten Angriffsreihen prognostiziert. Stattdessen wurde das Spiel zu einer erbitterten Abwehrschlacht. Auf der einen Seite kam Newton, dem vor einem Monat die renommierte Heisman-Trophy als bester College-Footballspieler verliehen worden war, nicht wie gewohnt zum Zuge, weil die Abwehr der Oregon Ducks es meist geschickt verstand, seine Laufwege zuzustellen. Auf der anderen gelang es den Auburn Tigers als erster Mannschaft in diesem Jahr, Oregons gefürchteten Angriff halbwegs stillzulegen.
Bis zum Finale hatte die Mannschaft aus dem Nordwesten der USA ihre Gegner stets mit einer einzigartigen Hochgeschwindigkeits-Offensive überrannt und im Schnitt fast 50 Punkte pro Spiel erzielt. Der Trick der Ducks: so schnell Football spielen wie möglich.
Die Regeln geben dem angreifenden Team eigentlich 40 Sekunden Zeit, den Ball ins Spiel zu bringen. Diese Zeit brauchen die Mannschaften auch, damit der Trainer den Spielzug per Funk an den Quarterback durchgeben und der ihn im sogenannten Huddle an seine Mitspieler weiterkommunizieren kann. Darauf verzichtet Oregon: Kaum liegt der Ball am Boden, sprinten die Spieler an ihre Positionen, die Coaches signalisieren den neuen Spielzug per Handzeichen aufs Spielfeld und los gehts: im Schnitt alle 13, 14 Sekunden.
Diese ungewöhnliche Blitztaktik birgt viele Risiken, aber hat dafür auch Vorteile: Die gegnerische Abwehr wird immer wieder unvorbereitet erwischt und hat kaum Zeit, Spieler auszuwechseln. Im Laufe der Zeit geht den Verteidigern die Luft aus, und je länger das Spiel dauert, desto leichter huschen die kleinen, aber ungemein schnellen Runnings Backs der Ducks vorbei an den japsenden Fleischbergen. Mancher Gegner, erzählten einige Ducks während der erfolgreichen Saison, flehte noch auf dem Spielfeld um ein menschenwürdigeres Tempo.
Nicht so die Auburn Tigers. Die hielten die flinken Sprinter meist auf, bevor sie richtig ins Laufen kamen. Trotzdem aber brauchte Auburn Glück, um die zweite Football-Meisterschaft in der Uni-Geschichte zu gewinnen: Nachdem Oregon zweieinhalb Minuten vor Schluss der Ausgleich gelungen war, führte Newton sein Team zum entscheidenden Fieldgoal in der letzten Sekunde. Entscheidend dabei war einer der obskursten Momente in der Geschichte des College-Football: Auburn-Running-Back Michael Dyer schien bereits zu Boden gebracht, aber hatte sich so seltsam auf seinem Gegenspieler gedreht, dass seine Knie nie den Boden berührt hatten. Alle dachten, das Spiel sei unterbrochen, bis Dyer wieder losrannte und entscheidenden Raumgewinn erzielte. Ohne den bizarren Lauf wäre das Spiel wohl in die Verlängerung gegangen.
Bei so viel Glück ging selbst Newton die Gottesfurcht flöten. "Wer zuletzt lacht …", grinste der Quarterback und blickte in den Himmel, aus dem es aber nur Konfetti regnete.
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