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Clubs am StadtrandLiegt eine Lösung in Tegel?

Berlins Clubs sind unter Druck: Etablierte Läden schließen. Für neue Orte werden sich innerhalb des Rings kaum mehr Locations finden lassen.

Zeigt, dass es an der Peripherie gehen kann, ist aber auch in der Nähe von Neukölln: der Club Revier Südost aka RSO in Schöneweide Foto: dts/imago

Berlin taz | Leute, die aus dem Club Watergate torkelten. Erwartungsfreudige, die erst noch in diesen hinein wollten. Und Taxis, die Schlange standen, um Raver einzusammeln: An den Wochenenden herrschte an der Oberbaumbrücke in Friedrichshain immer Ausnahmezustand. Das Watergate gibt es nun seit Anfang des Jahres nicht mehr, und seitdem geht es an den Wochenenden dort um einiges ruhiger zu.

Die Befürchtung ist groß, dass immer mehr Clubs dem Beispiel des Watergates folgen müssen und verschwinden. Denn wenn selbst ein derart gut etablierter Laden kriselt und mit den Mietkonditionen nicht mehr klarkommt, dann kann das Aus auf letztlich so ziemlich jeden Club zukommen.

Die Gründe, warum bestimmte Läden in Nöten stecken, sind dabei ganz unterschiedlich. Insgesamt allerdings sind subkulturell ausgerichtete Clubs – und als solche versteht sich immer noch die Mehrheit in Berlin – unter Druck geraten. Und die Wahrscheinlichkeit, dass demnächst irgendwo in Friedrichshain oder Kreuzberg ein wilder neuer Partyort entsteht, wo die Bierpreise noch okay sind, die ist ziemlich gering. Denn die super Location zu guten Mietkonditionen und ohne schon bald von Ravern genervten Nachbarn, an der dieser entstehen könnte, die gibt es in Berlins Zentrum praktisch gar nicht mehr.

Warum also nicht an den Stadtrand mit seinem Club? Es gebe dort immerhin „Vorteile, die es in der Innenstadt nicht mehr gibt: Platz, Gestaltungsmöglichkeiten und billigere Mieten“, sagt Jakob Turtur, der als Teil eines Kollektivs selbst einen Club mitbetreibt, den Johnny Knüppel im Prenzlauer Berg. Allerdings nur als Zwischennutzer – das Ende kann jederzeit auch für diesen Club kommen.

Spendenkampagne zur Rettung

Die viel gerühmte Berliner Clublandschaft, die in den letzten Jahrzehnten gehörig das Image Berlins in der ganzen Welt mitgeprägt hat, ist eben nicht quasi naturgegeben und unzerstörbar. Auch der Club Mensch Meier im Prenzlauer Berg musste aufgeben, nachdem es nach Corona nicht mehr so lief wie erhofft. Das about blank am Ostkreuz versucht gerade, sich mit einer Spendenkampagne zu retten.

Turtur hat für die Berliner Clubcommission, den Lobbyverband der hiesigen Clubs, bereits in der Praxis die Gegebenheiten für einen Club ausgekundschaftet, der sich an der Peripherie befindet. Er hat die erste Phase bei der längerfristig angelegten Pioniernutzung der Modellfläche TXL auf dem Gelände des ehemaligen Flughafens Tegel mitgeleitet.

Hier entsteht gerade ein ganzes Stadtquartier neu, großspurig auch Urban Tech Republic genannt. Noch auf den ehemaligen Berliner Kultursenator Klaus Lederer geht die Idee zurück, nicht nur Wissenschaft hier draußen anzusiedeln, sondern auch ein bisschen Kultur, oder besser gesagt: Clubkultur. Ein Jahr lang wurde bis zum letzten Oktober deswegen eine Freifläche vor der ehemaligen Catering-Küche des Flughafens von einem Kollektiv im Auftrag des Berliner Kultursenats bespielt. Die Partys waren kostenlos.

Ende letzten Jahres, als die Kürzungen des Berliner Kultur­etats für so viel Aufregung sorgten, war nicht klar, wie, wann und ob überhaupt die weitere Bespielung ansteht. Aber das tut sie nun. An diesem Samstag geht es mit einem Soft-Opening los. Ein neues, von einer Jury gewähltes Kollektiv, soll nun bis 2028 (und eventuell darüber hinaus) weiter ausprobieren, wie man Partyhungrige aus der Innenstadt nach Tegel lockt. Bis Ende des Jahres sollen außerdem die ersten Innenräume der ehemaligen Catering-Halle clubkulturell bespielt werden. Jakob Turtur sagt: „Das ist der Versuch, einen geförderten Clubort zu schaffen und zu etablieren. Und das funktioniert hoffentlich so gut, dass auch andere sagen: Okay, wir versuchen das auch mal irgendwo am Stadtrand.“

Interesse an neuen Orten

Auch Lisa Weinhold von der Clubcommission, aktuell Projektleiterin der Modellfläche TXL, glaubt, dass „alternative Standorte“, wie sie das nennt, in Zukunft relevanter würden. Sie sagt: „Wir sehen ein wachsendes Interesse an Clubkultur auch außerhalb des innerstädtischen Zentrums. In Stadtteilen wie in Schöneweide haben sich inzwischen mehrere Club- und Kulturstandorte etabliert, die gut angenommen werden und lebendige Orte kreativen Austauschs darstellen. In Berlin gibt es generell ein gesteigertes Interesse von Gästen und clubkulturellen Akteuren an neuen Orten.“

Klar, extra zum Feiern raus nach Tegel zu fahren, ist vergleichsweise mühsam. Bei manchen Veranstaltungen habe es in der ersten Phase des Pilotprojekts Modellfläche TXL aber immerhin extra Shuttles gegeben, einen Service, der in naher Zukunft hoffentlich noch ausgebaut werde, so Weinhold. Letztlich seien die Veranstaltungen immer gut besucht gewesen, „trotz der herausfordernden Erreichbarkeit. Das zeigt uns, dass der Ort interessant genug ist, um auch diese Umstände auf sich zu nehmen.“

Die ersten Signale, die die Modellfläche in Tegel also aussendet, deuten darauf hin, dass es zur Not auch an der Peripherie klappen könnte mit der Etablierung relevanter Clubs, falls irgendwann zwischen Ostkreuz und Fernsehturm wirklich nur noch clubkulturelle Leere eintreten sollte. Und mit dem Revier Südost in Schöneweide (RSO) gibt es immerhin auch schon einen Premium-Club, der sich abseits des Stadtzentrums hält.

Trotzdem, so Jakob Turtur, sei es „eine beschissene Entwicklung, dass Clubs gezwungen sind, an den Stadtrand zu ziehen“. Ein Stück urbaner Vielfalt würde dabei verloren gehen, „das merkt man Berlin inzwischen auch schon an“. Außerdem sollten seiner Meinung nach gute Clubs mehr bieten als bloß Partys. Etwa kleine Veranstaltungen auch unter der Woche. „Aber dann für ein Konzert eine Stunde lang unterwegs zu sein, ist relativ uninteressant“, findet er. Clubs, wie er sie sich für Berlin wünscht, „müssten auch weiterhin Platz in der Innenstadt finden“.

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