Clubkultur und Nahost-Konflikt: About Antisemitismus

Unter dem Vorwurf mangelnder Solidarität mit Pa­läs­ti­nen­se­r*in­nen verließ eine Partyreihe einen Berliner Club. Der lud nun zur Diskussion.

Palästinensische Flagge bei einer Demo auf dem Alexander-Platz

Der Nahost-Konflikt hinterlässt seine Spuren – auch in der Berliner Clubkultur Foto: Christoph Soeder / picture alliance/dpa

BERLIN taz | Wird der Nahostkonflikt auf Berlins Tanzflächen gelöst? Wohl kaum. Doch das Bedürfnis nach unbedingter Solidarität mit der einen oder anderen Seite, nach Positionierungen und nach Antworten ist groß. Das zeigte sich zuletzt am Dienstagabend, als die feieraffine Community regelrecht hinströmte zu einem Austausch über Clubkultur und den Israel-Palästina-Konflikt. „Na, da haben sie ja einen Nerv getroffen“, sagt denn auch eine Besucherin beim Anblick der langen Schlange vor dem Club About Blank am Ostkreuz.

Denn die Frage, wer im Nahostkonflikt Solidarität verdient, hat längst das linke, queere Nachtleben der Stadt erreicht. Letztes Beispiel ist die Absage der Buttons-Partyreihe an das About Blank Ende Juni: Das Buttons-Kollektiv, das nach eigener Aussage rund zehn Jahre eng mit dem About Blank zusammengearbeitet hat, sehe sich dazu nicht mehr in der Lage. Weiße Deutsche hätten das Sagen in diesem und vielen anderen Clubs. Es sei Zeit, progressive arabische und jüdische Stimmen zu Wort kommen zu lassen. Man wolle klare Position gegen Apartheid beziehen, die palästinensische Sache brauche endlich umfassende antirassistische und antikoloniale Solidarität.

Die Absage reihte sich ein in eine größere Kampagne: Zusammen mit ihrer – ziemlich langen – Erklärung bei Facebook rief das Kollektiv dazu auf, den offenen Brief der „Arbeiter*innen aus dem Berliner Nachtleben gegen Apartheid“ zu unterzeichnen. Dieser fordert angesichts etwa von Zwangsräumungen in Sheikh Jarrah und Gazakrieg das „erdrückende Schweigen“ der Berliner Kulturszene zu brechen und klare Haltung zu beziehen, unter anderem gegen das „koloniale Projekt der Vertreibung“. Knapp 500 Namen stehen inzwischen unter diesem Brief. Viele davon bezeichnen sich als DJs.

Fortschritt Betroffenenperspektive

„Wir haben ein Kompassproblem“, sagt dann auch Meron Mendel, Leiter der Bildungsstätte Anne Frank aus Frankfurt am Main am Mittwochabend auf dem Podium im About Blank. „Die Betroffenenperspektive hat inzwischen Deutungshoheit. Und das ist auch gut, es ist ein Fortschritt, dass den Betroffenen endlich zugehört wird“, sagt er. „Aber wenn zwei Betroffene aufeinanderprallen, kommen weiße Deutsche oft ins Taumeln: Wer hat denn nun recht? Und wer soll den Richter spielen?“ Daher dürfe es nicht bei den Betroffenenperspektiven enden, es dürfe nicht nur um Verletzungen gehen. „Wir müssen über Inhalte sprechen und wir brauchen die Perspektive der Menschenrechte, um das zu bewerten“, sagte er. Ein Problem sei außerdem, dass es gerade beim Nahostkonflikt den Drang zu einem klaren Freund-Feind-Bild gäbe.

Anliegen der Ver­an­stal­te­r*in­nen der Diskussion war es, wieder miteinander ins Gespräch zu kommen – auch nach heftigen Beschimpfungen und Diffamierungen über diverse Online-Kanäle. Vom Buttons-Kollektiv saß niemand auf dem Podium.

Hengameh Yaghoobifarah, Journalist*in, Schrift­stel­le­r*in und DJ, prangerte die Doppelmoral an, wenn es um Israel gehe. „Dass Frankreich mal das Existenzrecht abgesprochen wird oder französischer Käse boykottiert wird – das sehe ich nicht.“ Es werde auch häufiger hingenommen, wenn jemand sage, jüdische Freun­d*in­nen „finden das aber nicht antisemitisch“. Bei rassistischen Praktiken oder Äußerungen sei das Bewusstsein stärker.

Mendel betont, wie wichtig es sei, im Dialog zu bleiben. „Mein Wissen über den Nahostkonflikt dient mir auch dazu, um Festlegungen auf der einen oder der anderen Seite zu irritieren“, sagt er. Schü­le­r*in­nen wüssten oft erstaunlich wenig, sagt Mohamed Ibrahim, der an Schulen Workshops zum Nahostkonflikt macht. Trotzdem würden sie sich sehr klar positionieren. Mehr Wissen könne sensibilisieren.

Praktische Solidarität

Am Ende, in der Publikumsdiskussion, kam dann doch noch die Frage: „Aber was kann man tun?“ Weniger Parolen, mehr Praxis, sagt Yaghoobifarah. Wem wirklich an antirassistischer Praxis gelegen sei, der*­die könne etwa an der Türpolitik etwas ändern und sich fragen, welche Körper auf Partys zugelassen und gefeiert würden. Oder die Kämpfe um Bleiberecht oder Wohnraum von Pa­läs­ti­nen­se­r*in­nen in Berlin unterstützen. Denn: „Ob die Buttons-Party nun im Blank oder in der Grießmühle stattfindet – das wird in der Westbank nichts ändern.“

Mendel betont noch mal, wie wichtig es sei, im Dialog zu bleiben. Wenn er höre, dass Menschen „etwas bewirken“ wollten, frage er immer erst danach, was sie bereit wären zu tun. „Wenn du nur einen harten politischen Insta-Post absetzen willst – dann lass es einfach“, sagt er. Viel eher solle man sich fragen, welche Kräfte in der palästinensischen oder israelischen Gesellschaft man stärken wolle. „Dafür braucht es Zeit. Deshalb endet die Bereitschaft, sich zu engagieren auch oft, wenn es um wirkliche Handlungen geht.“

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.