Clubkultur in Berlin: Neue Türen öffnen, alte schließen
Wegen hoher Kosten bangt auch der Club Jonny Knüppel um seine Existenz. Das insolvente Schwuz hofft derweil, in Außenbezirken öffnen gar neue Clubs.
Es gibt Realitäten, die koexistieren. Dazu gehört: In Berlin eröffneten im November zwei neue Clubs. Und: Clubsterben ist real. Nachdem das Watergate sich bereits zum letzten Jahreswechsel verabschieden musste und das Schwuz kürzlich sein Aus bekannt gab, muss auch die Renate nach einer letzten Silversterparty die Türen schließen. Getroffen hat es damit drei große Institutionen innerhalb nur eines Jahres.
Auch der Club Jonny Knüppel auf einem ausrangierten Güterbahnhof nahe dem S-Bahnhof Greifswalder Straße sieht seine Existenz bedroht. In einem Instagram-Beitrag erklärte das Team, man stehe finanziell „am äußersten Rand“. Die kommenden Veranstaltungen würden über den Fortbestand des Clubs entscheiden, der seit dem Aus des Mensch Meier einer der letzten alternativ-politischen Partyorte der Stadt ist. Um den Betrieb vorerst zu sichern, starteten die Betreiber*innen einen Spendenaufruf.
Damit ist der Club nicht allein. Laut einer Umfrage der Clubcommission geben 46 Prozent der Clubbetreibenden an, dass ihre finanzielle und wirtschaftliche Lage sehr angespannt ist und sie in Erwägung ziehen, ihren Betrieb innerhalb des nächsten Jahres zu schließen. Gründe sind steigende und unregulierte Gewerbemieten und Energiekosten sowie der Anstieg des Mindestlohns, der sich insbesondere auf kleinere Betriebe auswirkt. Hinzu kommen rückläufiger Tourismus, Probleme mit Standorten und der Nachbarschaft sowie die gestiegene Grundsteuer.
Keine neuen Clubs mehr im S-Bahn-Ring
Innerhalb des S-Bahn-Rings sind Flächen für Clubs oft nicht mehr bezahlbar, schon lange hat die Szene angefangen, nach außen zu wandern. 2018 musste Jonny Knüppel bereits seinen Standort in Kreuzberg aufgeben und zog nach Prenzlauer Berg. Außenbezirke wie Schöneweide haben sich als Clubstandort etabliert. Die beiden neuen Clubs in Spandau und im Westend befinden sich ebenfalls außerhalb des Rings.
Aber auch die Feierszene verändert sich: Jüngere Generationen gehen weniger aus und konsumieren weniger Alkohol. Gleichzeitig steigt die Bedeutung von Partys von Kollektiven gegenüber klassischen Clubnächten. Partygäste folgen DJs und Kollektiven, nicht einzelnen Clubs. Das hat auch Vorteile: Kollektive haben ihre eigenen Communitys, können diese gezielt mobilisieren – und motivieren rauszufahren.
Die Clubkultur ist nicht nur ein wesentlicher Bestandteil Berlins als offene Feiermetropole, sondern auch ein bedeutender Tourismus- und Wirtschaftsfaktor. Dennoch fehlt es an gezielter Förderung; die Kulturförderung wird indes drastisch gekürzt. Die Verdrängung von Clubs und Kulturstandorten ist langfristig wirtschaftlich nachteilig und zeugt von einer kurzsichtigen Stadtentwicklungsstrategie.
Wenn wir Clubs als Orte verstehen, die kulturelle Vielfalt fördern, sichere Räume für marginalisierte Gruppen bieten und subkulturelle Experimente erlauben, dann stellt ihr Verlust eine Bedrohung für die städtische Identität und die Innovation der kreativen Szene dar.
Die Bedeutung der Clubkultur scheint auch Kultursenatorin Sarah Wedl-Wilson (parteilos, für CDU) zu begreifen. Ende November erklärte sie im Kulturausschuss, dass ihr Haus mit der Clubcommission im Austausch sei, um für das Schwuz eine kleinere Location zu finden. Das Ziel: „das Schwuz als Idee“ fortsetzen. Wedl-Wilson fügte hinzu, dass die alten Räumlichkeiten des Schwuz in der ehemaligen Kindl-Brauerei in Neukölln für einen neuen Club genutzt werden könnten, etwa das Watergate.
Der Vorsitzende des Schwuz-Fördervereins, Stefan Fuerst, sprach zuletzt in einem Interview mit der Siegessäule von einer „Chance auf einen Neuanfang“, für die derzeit viele Gespräche geführt würden. Und auch die Gäste geben die Hoffnung nicht auf: Seit der Insolvenz geht die Zahl der Mitglieder im Förderverein in die Höhe.
Gemeinsam für freie Presse
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Alle Artikel stellen wir frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade in diesen Zeiten müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass kritischer, unabhängiger Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert