piwik no script img

Club-Sterben in HamburgDem Molotow droht das Aus

Der Musikclub Molotow auf der Reeperbahn hat überraschend eine Kündigung vom Vermieter erhalten. Der will dort nun ein „Boutique Hotel“ errichten.

Muss im kommenden Jahr raus: Musikclub Molotow in Hamburg Foto: Gregor Fischer/dpa

Hamburg taz | Dem Hamburger Musikclub Molotow droht das Aus: „Dem Molotow ist gestern zum 30.06.24 gekündigt worden“, erklärten die Betreiber des Clubs am Freitagnachmittag. Seit 2014 hat der Club seine Räumlichkeiten am Nobistor auf der Reeperbahn in St. Pauli. Jedoch: „Investor und Stadt wollen an seiner Stelle ein Hotel“, teilen die Betreiber mit und verweisen auf die Pläne ihres Vermieters. Demzufolge soll das Molotow Platz machen, damit ein „Boutique Hotel“ gebaut werden kann. Die Nachricht über das drohende Aus des Molotow kommt wenige Tage, ehe eine ganze Reihe Hamburger Clubs seine Türen schließen muss.

Sollte das Molotow tatsächlich vor die Tür gesetzt werden, wäre es der dritte notgedrungene Auszug für den Club seit seiner Eröffnung 1990: Bis 2013 war er im Keller der Esso-Häuser am anderen Ende der Reeperbahn untergebracht. Doch wenige Tage vor Weihnachten wurde der gesamte Gebäudekomplex damals von der Polizei wegen akuter Einsturzgefahr geräumt.

Neben dem Molotow verloren auch mehr als 90 Be­woh­ne­r:in­nen ihr Zuhause. Nachdem es kurzzeitig in einem früheren Möbel-Haus unterkommen konnte, eröffnete der Club 2014 an seiner jetzigen Adresse am Nobistor. „Der Club wird also zum dritten Mal abgerissen“, sagte Betreiber Andi Schmidt am Freitag der taz angesichts der Kündigung.

Tatsächlich findet sich auf der Homepage des Betreibers der Plan, an Stelle des Molotow ein „Neubau eines Boutique-Hotels auf der Reeperbahn in Hamburg“ zu errichten: Sechsstöckig, mit schicker roter Verglasung und einem Lounge-Bereich im Erdgeschoss – so veranschaulicht es ein Entwurfsbild. Wie konkret die Pläne sind und ob das Molotow tatsächlich schon in sechs Monaten ausziehen muss, bleibt unklar – der Vermieter war für die taz am Freitag nicht zu erreichen. „Dass wir nun so schnell ausziehen müssen, hat uns überrascht“, sagt Schmidt. „Die Uhr tickt nun.“

Musikclubs ohne Perspektive

Dabei wäre ein Auszug des Molotow im kommenden Jahr kein Problem – hätte die zwischen der Stadt und dem Eigentümer des Esso-Häuser-Geländes getroffene Vereinbarung Bestand gehabt. 2016 einigten sich der zuständige Bezirk Mitte, die Bayerische Hausbau als Eigentümerin sowie die Stadtteilinitiative Planbude darauf, dass beim Neubau auch das Molotow wieder einen Platz bekommen soll.

Doch immer wieder verzögerte sich der angekündigte Baubeginn, die ursprünglich anvisierte Fertigstellung ist mittlerweile überschritten. Und im vergangenen August wurde klar, dass die Eigentümerin das ausgehandelte Konzept nicht mehr umsetzen will. „Der Investor lässt das Grundstück seit zehn Jahren brach liegen“, kritisieren daher auch die Molotow-Betreiber.

Clubs müssen schließen

Das Kündigungsschreiben erreichte das Molotow wenige Tage, bevor eine ganze Reihe Hamburger Clubs seine Toren schließt: Der Club Pal im Karolinenviertel schließt mit dem Ende des Jahres. Außerdem müssen an und unter der Sternbrücke im nahegelegenen Altona die Astra-Stube, das Fundbureau, der Waagenbau, die Beat Boutique sowie die Bar 227 schließen, weil nun der Abriss der Bahnbrücke ansteht.

Nach langen Protesten gegen den Abriss der Brücke hatte die Hamburger SPD versucht, den Clubs das Aus in ihren Räumlichkeiten schmackhaft zu machen, in dem sie ankündigte nach dem Abriss der Brücke in unmittelbarer Nachbarschaft ein „Clubhaus“ zu errichten, in das alle unterkommen könnten. Doch mehr als eine Ankündigung blieb das nicht, mittlerweile haben sich drei der Sternbrücken-Clubs entschieden, in einigen Monaten in Räumlichkeiten in der Nähe des Hauptbahnhofs zu ziehen.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

5 Kommentare

 / 
  • .... 10Jahre am jetzigen Standort ist doch sehr lange. Daraus schließe, dass der Immobilien Besitzer gar nicht schlecht sein muss.



    Rechtzeitig sich um eine alternative sich zu kümmern wäre nicht schlecht z. B die neue Bebauung an der Trinitates Kirche an der Königsstraße.

  • In anderen Medien ist zu lesen, dass der Grund für die Kündigung eine fehlende Betriebsgenehmigung seitens der Stadt sei.

  • Nicht zu glauben. Ich frage mich mittlerweile, was für eine Stadt Hamburg möchte der Hamburger Senat? Alles platt gemacht für Touris, die HH ja so schön und reisewert finden, ach ja, und natürlich nicht die ganzen Events zu vergessen ... es ist einfach unglaublich, in welchem Tempo die Stadt Hamburg den Kurs des Unbeliebtmachens bei den Bürgern und Bürgerinnen stringent und wahrscheinlich unter reinen Kapitalinteressen verfolgt. Mir fällt da wieder der Begriff "Pfeffersäcke" ein. Dabei entlarvt sie sich selbst bzw. es wird deutlich, es interessiert sie nicht wirklich, ob und welche Kultur es gibt, ja natürlich sind mit meinen Worten weder Elphi, noch diverse andere Locations gemeint. Ich meine den sog. Underground. Peinlich, peinlich, was in dieser Stadt unter einer rotgrünen Regierung geschieht bzw. nicht geschieht.

    • @Xyra:

      Also was für Tourismus man mit einem "Boutique Hotel auf der Reeperbahn in Hamburg" anziehen will, liegt auf der Hand. Dafür braucht es keine schicke rote Verglasung, um das Puffambiente noch zu unterstreichen.

    • @Xyra:

      Ich kann in diesem Fall die politische Dimension nicht erkennen. Ich bin mir nicht sicher, ob die Verwaltung überhaupt Möglichkeiten hat, einzugreifen, wenn ein privater Vermieter einen gewerblichen Mieter durch einen anderen ersetzt. Problematisch wäre es, wenn signifikant Clubs schließen müssten, weil es nicht genug Räumlichkeiten gibt, aber wenn ich das richtig verstehe, wurden für die Sternbrücken-Clubs neue Räumlichkeiten gefunden. Dass Clubs mehr oder weniger lang leerstehende Räumlichkeiten vorübergehend nutzen, ist eine nachhaltige Art der Flächennutzung. Dies bedeutet natürlich, dass Clubs auch öfter mal umziehen müssen, aber das belebt doch auch die Clubszene. Aufgabe der Politik ist ja nicht, aus purer Nostalgie einen Status Quo zu erhalten, die Dynamik der stetigen Veränderung macht ja auch den Reiz einer Stadt wie Hamburg aus.

      Noch zwei Anmerkungen: Der Narativ vom Antagonismus Clubs vs. Touristen funktioniert nicht wirklich, die Clubs leben auch von den Touristen. Und die Sternbrücke wird abgerissen, weil sie baufällig ist und modernen Anforderungen nicht mehr entspricht, das ist ein wichtiger Beitrag zur Verkehrswende.