Christopher Street Day in Berlin: Hunderttausende Menschen feiern
Unter dem Motto „Be their voice and ours – für mehr Empathie und Solidarität“ fand zum 45. Mal der CSD statt. Auf Regierungsgebäuden wehte die Regenbogenfahne.
Bundestagspräsidentin Bärbel Bas (SPD) wies in ihrer Begrüßungsansprache darauf hin, dass die Diskriminierung in Deutschland derzeit wieder zunehme. „Dagegen müssen wir uns alle wehren und auch gemeinsam dagegen aufstehen und Haltung zeigen“, forderte Bas.
Berlins Bürgermeister Kai Wegner (CDU) sagte in seiner Ansprache: „Berlin ist die Stadt der Vielfalt.“ Er kündigte an, dass sich das Land Berlin unter seiner Führung dafür einsetzen wird, ein Verbot der Diskriminierung wegen sexueller Identität ins Grundgesetz aufzunehmen. Die Rede des CDU-Politikers ging teilweise in lauten Buh-Rufen unter.
Schätzungen zur Zahl der Teilnehmenden wollten Polizei und Veranstalter zunächst nicht abgeben. Die Veranstalter hatten im Vorfeld mit etwa 500.000 Teilnehmern gerechnet – deutlich mehr als im vergangenen Jahr, als rund 350.000 Menschen beim Christopher Street Day in Berlin mitmachten. Die Kundgebung steht in diesem Jahr unter dem Motto „Be their voice and ours – für mehr Empathie und Solidarität“. Sie wird zum 45. Mal in der Stadt abgehalten.
Am Vormittag hatte Kulturstaatsministerin Claudia Roth (Grüne) vor dem Bundeskanzleramt die Regenbogenflagge aufgezogen, das internationale Symbol der Schwulen- und Lesbenbewegung. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) wünschte den Teilnehmern im Kurzbotschaftendienst Twitter eine fröhliche Feier. „Vielfalt ist unsere Stärke“, schrieb er.
Auch auf dem Reichstagsgebäude, dem Sitz des Bundestags, wehte die Regenbogenflagge. Diese sei auch „Auftrag, dass politisch noch einiges für mehr Gleichberechtigung und Anti-Diskriminierung zu tun ist“, schrieb Bundestagsvizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt (Grüne) auf Twitter – und fügte hinzu: „Liebe ist für alle da!“
Nur die AfD moserte
Unterstützung für die Parade kam von allen Bundestagsfraktionen mit Ausnahme der AfD. Der AfD-Abgeordnete Martin Reichardt kritisierte das Hissen der Regenbogenflagge über dem Reichstag. Die Flagge stehe „dafür, dass wir alten Männern in Röcken nicht mehr sagen dürfen, dass sie keine Frauen sind“, schrieb Reichardt auf Twitter.
Die Veranstalter wollen den CSD ausdrücklich als politische Kundgebung verstanden wissen. „Unser Forderungskatalog wird seinen Weg finden, die Politik, Wirtschaft und Zivilgesellschaft kommt nicht daran vorbei – wir sind hier nicht zum Spaß“, erklärte Patrick Ehrhardt, Vorstandsmitglied im Berliner CSD e.V.
Auf der Kundgebung waren auch in diesem Jahr viele ukrainische Flaggen zu sehen. Die ukrainische Botschaft war mit einem eigenen Wagen vertreten, von dem aus Botschafter Oleksii Makeiev zu den Teilnehmenden sprach. Die Werte, die auf dem CSD zelebriert würden, seien jene Werte, „die wir gleichzeitig in der Ukraine verteidigen“, schrieb er auf Twitter.
Jenseits der politischen Forderungen bot der CSD auch in diesem Jahr wieder eine Bühne für phantasievolle Kostüme, extravagante Perücken, Fetisch-Outfits, Stöckelschuhe – und viel nackte Haut. Ein Teilnehmer lief gar verkleidet als Löwin von Kleinmachnow durch die Straßen.
Die Berliner Polizei sicherte den Zug mit rund tausend Einsatzkräften. Die Stadtreinigung hatte nach eigenen Angaben rund 140 Einsatzkräfte mit 60 Fahrzeugen im Einsatz – sie sollten mit Kehrmaschinen, Spülwagen und Müllautos bis Sonntagfrüh die Strecke wieder säubern. Im letzten Jahr sammelte die Stadtreinigung nach dem CSD zirka 360 Kubikmeter Abfall ein.
Die Kundgebung erinnert an den 28. Juni 1969, als die Polizei die Schwulenbar Stonewall Inn in der New Yorker Christopher Street stürmte, worauf tagelange Zusammenstöße zwischen Aktivisten und Sicherheitskräften folgten. Der Aufstand gilt als Geburtsstunde der modernen Schwulen- und Lesbenbewegung.
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