Christian Rath über die doppelte Staatsbürgerschaft: Es gibt nicht nur eine Loyalität
Teile der Union planen einen neuen Kulturkampf. Sie wollen die doppelte Staatsbürgerschaft für hier aufgewachsene Deutsch-TürkInnen wieder abschaffen und die alte Optionspflicht wieder einführen. Innenpolitisch sind dafür keine Mehrheiten in Sicht, es geht wohl nur um eine Rechtsaußenprofilierung, die aber das Klima in Deutschland nachhaltig vergiften kann.
Vorwand ist die Pro-Erdoğan-Demonstration vom Wochenende. Angesichts jubelnder Deutsch-TürkInnen fordert unter anderen CDU-Präsidiumsmitglied Jens Spahn, dass sich hier aufgewachsene Menschen mit sowohl deutschem als auch türkischem Pass wieder mit 23 Jahren entscheiden müssen, wem ihre Loyalität gilt.
Doch was wäre dadurch gewonnen? Viele Deutsch-TürkInnen sind für Rechtsstaat und Demokratie – aber auch für Erdoğan. Sie freuen sich zu Recht über den niedergeschlagenen Putschversuch – und wollen gleichzeitig die von Erdoğan ausgehenden Gefahren für die türkische Demokratie nicht erkennen. Man kann nur hoffen, dass sie durch eine offene und faire gesellschaftliche Diskussion noch zu erreichen sind.
Wer jetzt aber trotzig Entweder-oder-Bekenntnisse abfordert, gibt die Diskussion schon verloren und treibt konservative Deutsch-TürkInnen nur weiter in die Arme Erdoğans.
Und dann? Läuft die Integration besser, wenn die meisten Deutsch-TürkInnen wie früher nur die türkische Staatsbürgerschaft haben? Wohl kaum. Wer hier aufgewachsen ist und hier lebt, soll in der Regel die vollen staatsbürgerlichen Rechte haben. Gerade deshalb wurde das Staatsbürgerschaftsrecht doch modernisiert.
Wer Deutscher ist, kann viele Loyalitäten haben: zum Papst, zu Rihanna oder auch zum bayerischen Ministerpräsidenten Seehofer. Das alles hält eine moderne Demokratie gut aus. Wer ein „sowohl als auch“ nicht erträgt, ist dagegen rückwärtsgewandt – und näher bei Erdoğan, als ihm vermutlich lieb ist.
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