Chinas neue Außenpolitik: Peking auf Konfrontationskurs
Chinas neuer Außenminister verschärft bei seiner ersten Pressekonferenz den Ton gegenüber den USA. Für Russland hat er nur freundliche Worte.
Die alljährliche Pressekonferenz des Außenministers gehört zum Ritual des Nationalen Volkskongresses, der seit Sonntag in der chinesischen Hauptstadt stattfindet. Und natürlich sind die Journalisten im Raum, ja auch die gestellten Fragen längst im Vorhinein von der Regierung selektiert worden. Nichts soll bei diesem bis zur letzten Silbe durchchoreografierten Polit-Schauspiel dem Zufall überlassen werden. Und dennoch bot die zweistündige Veranstaltung am Dienstagmorgen tiefe Einblicke in den diplomatischen Kurs des Landes.
Zumindest kann nun kein internationaler Beobachter mehr behaupten, nicht im Vorhinein gewarnt worden zu sein. Denn mit einer völligen Nonchalance machte der 56-jährige Qin Gang, vormals chinesischer Botschafter in den USA, deutlich, dass man bei der sogenannten Taiwan-Frage auch nicht vor einer militärischen Eskalation zurückschrecken werde – ja sogar per Verfassung dazu gezwungen sei, diese notfalls zu forcieren.
Zwar arbeite man auf eine friedliche Wiedervereinigung hin, sagte Qin Gang, doch man behalte sich den Einsatz sämtlicher Mittel vor. „Tatsächlich macht Chinas Antisezessionsgesetz diesen Punkt deutlich. Falls das Gesetz verletzt wird, müssen wir in Übereinstimmung mit der Verfassung handeln“, sagte der Diplomat in trockenem Tonfall. Niemand solle die feste Entschlossenheit der chinesischen Regierung unterschätzen, die nationale Souveränität des Landes zu wahren.
Scharf gegen die USA, freundlich zu Russland
Und auch gegenüber den Vereinigten Staaten hat Qin Gang ebenfalls eine indirekte Warnung ausgesprochen. Wenn die US-Regierung nämlich ihren „falschen Kurs“ gegenüber China nicht bremsen werde, dann könnten auch „noch so viele Leitplanken“ keine „Entgleisung“ verhindern. Die Folge wären klar: „Konflikt und Konfrontation“. Wie diese ausschauen werden, ließ Qin Gang offen.
Die Wolfskrieger-Rhetorik der Chinesen scheint wieder zurückgekehrt zu sein. Nachdem der scheidende Premierminister Li Keqiang am Sonntag eine eher bescheidene Rede hielt, legt Qin Gang nun eine rhetorische Angriffslust vor. Seine scharfen Worte gegenüber den USA stechen auch deshalb so deutlich hervor, weil er nur wenige Minuten zuvor die Beziehung zu Russland in den höchsten Tonen lobte. Das Verhältnis gegenüber Moskau sei ein „Modell für neue internationale Beziehungen“. Und: „Je turbulenter die Welt ist, umso beständiger sollten die russisch-chinesischen Beziehungen voranschreiten“.
Angesichts dessen dürfte auch nicht weiter überraschen, dass sich Qin Gang nach wie vor weigert, die „Ukraine-Krise“ überhaupt als Krieg zu bezeichnen. Diese sei laut Chinas Außenminister das „Resultat europäischer Sicherheitsarchitektur“ – Russland hingegen wird weder als Aggressor benannt, noch überhaupt mit einer einzigen Silbe kritisiert.
Zur Überraschung vieler Beobachter hat Qin Gang zwei Themen verglichen, die eigentlich in der chinesischen Propaganda rein gar nichts miteinander zu tun haben: die Situation in Taiwan und der Ukraine. „Warum sprechen die USA so viel von der Achtung der territorialen Integrität in der Ukraine, respektieren aber nicht die territoriale Integrität Chinas bei der Taiwan-Frage? Warum haben die USA Waffen an Taiwan verkauft und fordern gleichzeitig, dass China keine Waffen an Russland liefert?“, fragte Qin Gang rhetorisch.
Botschaft aus Peking an den Globalen Süden
Im Westen werden solche Aussagen wohl auf wenig Verständnis stoßen. Die Konfrontation mit den USA, deren China-Politik als zunehmend feindlich wahrgenommen wird, scheint man in Peking bewusst in Kauf zu nehmen.
Doch gleichzeitig hofft man weiterhin, in Europa mit einem Aufruf zur Emanzipation auf fruchtbaren Boden zu stoßen: „Wir hoffen, dass Europa, das das Leiden durch den Krieg in der Ukraine durchgemacht hat, von seinem Schmerz lernt und wirklich strategische Autonomie und langfristige Stabilität erreicht“, sagt Qin Gang.
Vor allem aber dürfte seine Botschaft in vielen Teilen des globalen Südens verfangen. Denn Qin Gang hat es geschickt geschafft, dass „chinesische Modell“ als Alternative zum Westen zu präsentieren: Die Volksrepublik gibt sich als Verfechter der Entwicklungsländer, die genug haben von der scheinbaren Bevormundung und moralischen Arroganz westlicher Eliten.
Natürlich entbehren solche Aussagen nicht einer gewissen Scheinheiligkeit, schließlich ist es die Führung der kommunistischen Partei selbst, die nach wie vor ihre Zöglinge scharenweise an US-Universitäten schickt und mit westlichen Pässen versorgt, während sie die eigene Bevölkerung von sämtlichen kritischen Informationen abschirmt.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen