China-Außenpolitiker Wang in Moskau: Zum Handschlag im Kreml

Wang und Putin zelebrieren ihre Beziehungen. Dabei lässt der freundliche Besuch Pekings Ukraine-Friedensinitiative noch unglaubwürdiger erscheinen.

Wladmiri Putin betritt lächelnd mit geöffneten Armen den Konferenzraum

Große Freude bei der Begrüßung des chinesischen Aussenpolitikers Wang Yi in Moskau Foto: Anton Novoderezhkin/imago

PEKING taz | Die Optik ließ keine Zweifel aufkommen: Als Chinas führender Außenpolitiker Wang Yi auf den russischen Präsidenten traf, herrschte demonstrativ ausgelassene Stimmung. Der kleine ovale Tisch, an dem die beiden nach einem herzlichen Handschlag Platz nahmen, ist für Wladimir Putins Verhältnisse geradezu außerordentlich intim. Und auch rhetorisch gab man sich betont freundlich. Putin pries die bilateralen Beziehungen, die „neue Grenzen“ erreichen würden. Wang sprach zudem davon, dass man die „umfassende strategische Partnerschaft weiter stärken“ werde.

Der Moskaubesuch des chinesischen Spitzendiplomaten, der auch als Vorspiel für einen geplanten Gipfel zwischen Staatschef Xi Jinping und Putin dient, hat erneut bekräftigt, dass China seine doppelgleisige – und auch widersprüchliche – Position nicht geändert hat: Im Westen präsentiert man sich als „neutraler Vermittler“ und „friedensliebende Nation“, im Kreml hingegen feiert man die „felsenfeste“ Freundschaft. „Im Grunde versucht China also auf zwei Hochzeiten gleichzeitig zu tanzen“, fasst es Evan Feigenbaum, Vizepräsident beim Washingtoner Carnegie Endowment for International Peace in einem aktuellen Podcast zusammen.

Zumindest eins muss man der chinesischen Haltung lassen: Sie ist seit Beginn des Kriegs in der Ukraine konsistent. Die Regierung wird in ihrer Abwägung ausschließlich von Eigeninteressen getrieben. Auf strategischer Ebene unterstützt sie Russland; etwa, indem chinesische Regierungsvertreter die Propaganda aus dem Kreml übernehmen und sogar aktiv dessen Desinformationskampagnen verbreiten. Im Gegenzug lässt man sich mit Energielieferungen zu günstigen Konditionen bezahlen, die Ölexporte von Russland nach China haben im Januar zuletzt ein Rekordhoch erreicht. Und die Handelsbeziehungen könnten im laufenden Kalenderjahr die 200-Milliarden-Dollar-Marke durchbrechen, was einen Anstieg von knapp 10 Prozent darstellen würde.

Selbst zaghafte Kritik an Putin ließ Peking bislang nicht durchblicken. Daran hat auch der Moskaubesuch von Wang Yi nichts geändert. Die bislang einzige rote Linie, die Xi Jinping gezogen hat, lässt sich als Mindestmaß an Anständigkeit bezeichnen: Man toleriere weder den Einsatz von Nuklearwaffen noch das Drohen mit ihnen. Ansonsten ist im Universum der chinesischen Staatsmedien nur eine Partei schuld am Krieg: die Vereinigten Staaten.

China könnte von seinem derzeitigen Status profitieren

Auch Putins Suspendierung des „New Start“-Vertrags wurde in Peking nur indirekt bemängelt. Beim Außenministerium hieß es am Mittwoch, dass der „letzte verbliebene Rüstungskontrollvertrag zwischen den USA und Russland von großer Bedeutung für‌‌ die Aufrechterhaltung der globalen Stabilität“ sei. Man hoffe, dass die diesbezüglichen „Differenzen“ zwischen den USA und Russland durch Dialog gelöst werden können, „um eine reibungslose Umsetzung des Vertrags zu gewährleisten“.

All dies sind keine guten Voraussetzungen für eine Weltmacht, die noch während der Münchner Sicherheitskonferenz großspurig ein „Positionspapier“ zum Ukrainekrieg angekündigt hat, welches China als diplomatischen Vermittler ins Spiel bringen soll. Auch dabei geht es wohl vor allem um die Eigeninteressen des Landes: Man sieht die Chance gekommen, sich als verantwortliche Staatsmacht zu präsentieren. Auf Abstand zu Putin, dem Aggressor des Krieges, wird China jedoch niemals gehen.

Immer offener melden sich chinesische Experten zu Wort, die in ihren Analysen zum Fazit gelangen, dass das Reich der Mitte vom derzeitigen Status quo durchaus profitiert. „Ich glaube wahrhaftig, dass das asiatische Jahrhundert bereits angekommen ist. Die internationale Geopolitik verlagert sich nach Ostasien, und der Krieg in der Ukraine ist dabei nur ein Beschleuniger“, sagte zuletzt Zhou Bo, pensionierter Oberst der Volksbefreiungsarmee, im indischen Fernsehen.

Seine innerhalb der chinesischen Elite verbreitete Annahme unterstellt, dass der politische Westen niedergeht. Brüssel und Washington sind demnach auch isolierter, als sie es annehmen: Denn die meisten großen Länder des Globalen Südens, darunter auch Indien, haben beim Ukrainekrieg eine ähnliche russlandfreundliche Haltung wie China eingenommen.

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