Chinas Volkskongress tagt: Demonstration absoluter Macht

Xi Jinping wird einstimmig zum Präsidenten, Parteivorsitzenden und oberstem Militär gewählt. Er wird die Umgestaltung Chinas fortführen.

Xi Jinping hebt die Faust während er den Eid spricht, hinter ihm stehen die mundtoten Delegierten

Xi Jinping bei der Vereidigung zu seiner dritten Amtszeit Foto: Mark R. Cristino/reuters

PEKING taz | Die rechte Faust in die Luft gehoben, die linke Hand fest auf dem roten Verfassungsbuch: Als Xi Jinping am Dienstag in der Großen Halle seinen Amtseid schwor, war dies eine beeindruckende Demonstration absoluter Macht. Selten schien ein chinesischer Staatschef selbstbewusster und siegessicherer.

Natürlich war im Vorhinein bereits klar, dass die 2.592 Abgeordneten des Volkskongresses Xi Jinping mit einem „nordkoreanischen“ Wahlergebnis zur dritten Amtszeit krönen werden. Dass er jedoch keine einzige Enthaltung bekommen würde, war dann doch ein deutliches Signal. Xi hält sämtliche drei wichtigen Titel, wobei das Präsidentenamt vor allem symbolischer Natur ist. Wirklich entscheidend ist, dass Xi die Partei und das Militär anführt.

Seine Wiederwahl legt auch offen, wie atemberaubend rasant Xi das Land umgestaltet hat. Längst mutet allein der Gedanke, dass Chinas mächtiger Staatschef sein Amt für einen Nachfolger räumen könnte, geradezu unvorstellbar an. Dabei war nur wenige Jahre zuvor das genaue Gegenteil der Fall: Dass ein Machthaber eine dritte Amtszeit reklamieren könne, schien regelrecht ausgeschlossen. Die Verfassung machte es klar: Nach maximal zehn Jahren – zwei Amtszeiten – muss der Rückzug folgen.

Denn nachdem der alternde, zunehmend vom exzessiven Persönlichkeitskult umnebelte Staatsgründer Mao Tsetung das Land in politisches Chaos und wirtschaftliche Hungersnot gestürzt hatte, wollte sein Nachfolger Deng Xiaoping eine Wiederholung der Geschichte unmöglich machen. Die Führung der Kommunistischen Partei legte fortan eine Begrenzung der Amtszeit fest, an die sich sämtliche Parteivorsitzende bislang hielten. Erst Xi Jinping hat das Gesetz wieder entfernen lassen – und sich potenziell als Machthaber auf Lebenszeit positioniert.

Von der Öffentlichkeit abgeschottet

Einige Experten vermuten, dass Xi, der sich mit seiner flächendeckenden Anti-Korruptionskampagne unzählige Feinde innerhalb der politischen und unternehmerischen Elite gemacht hat, auch deshalb an der Macht festhält, weil ihm kein friedlicher Ruhestand gegönnt sein würde. Doch viele westliche Diplomaten halten eine andere Intention für ausschlaggebender: Xi, der von der historischen Vision eines erstarkten China getrieben ist, möchte die „Wiedervereinigung“ mit dem demokratischen Inselstaat Taiwan noch zu Lebzeiten vollziehen.

Was die Bevölkerung von seiner dritten Amtszeit hält, ist eine Frage, deren offene Debatte die Parteiführung nicht duldet. Wer den Präsidenten in der Öffentlichkeit grundsätzlich in Frage stellt, wird von der Polizei verhaftet.

Und online sorgen die Zensoren vor: Wer den Hashtag „Xi Jinping zum Präsidenten gewählt“ auf der führenden Online-Plattform Weibo eingab, wurde schon bald auf eine Fehlermeldung weitergeleitet: „Es tut uns leid, es wurden keine relevanten Ergebnisse gefunden“. Offensichtlich kamen die Zensoren mit dem Löschen der Kommentare nicht mehr hinterher, sodass sie für gewisse Zeit die wichtigste Nachricht des Tages schlicht gänzlich blockierten. Genau wie in der Großen Halle des Volkes duldet die Staatsmacht auch innerhalb der 1,4 Milliarden Chinesen nur eine einzige Stimme.

Dementsprechend ist auch zu erklären, dass die allermeisten Chinesen die Wahl wahrgenommen haben, als hätte sie auf einem anderen Planeten stattgefunden: Zu fernab von der eigenen Realität erscheint das Polit-Schauspiel in Peking, auf dessen Resultate man ja ohnehin keinen Einfluss ausüben kann.

Der Einfluss der Partei steigt in allen Bereichen

Für die nächsten fünf Jahre Xi Jinping muss sich insbesondere der Westen weiterhin auf eine harsche „Wolfskrieger“-Rhetorik einstellen. Innenpolitisch wird das Klima der ideologischen Kontrolle ebenfalls anhalten. Wirtschaftlich dürfte Xi vor allem den Kampf gegen die wachsende Ungleichheit fokussieren, und technologisch wird er die Entwicklung zur nationalen Autarkie beschleunigen.

Auch wird der Einfluss der Partei in sämtlichen Bereichen weiter zunehmen. Das ist insbesondere für die in China tätigen internationalen Unternehmen von Relevanz: Zwar hat sich die KP in vergangenen Jahrzehnten durchaus mit wirtschaftsfreundlichem Pragmatismus bezahlt gemacht, allerdings in jüngster Zeit wieder deutlich die ideologische Kontrolle in den Vordergrund gestellt.

Vor allem aber agiert die nach leninistischem Vorbild gestaltete Partei vollständig hinter verschlossenen Türen: Sie erklärt sich nicht, legt keine Rechenschaft ab und agiert ausschließlich nach Eigeninteressen. Gerade für Investoren, die Planbarkeit und Zuverlässigkeit benötigen, sind das keine guten Voraussetzungen.

Inmitten dieses politischen Klimas wird der am Samstag gewählte Premierminister versuchen müssen, die Volkswirtschaft nach zweieinhalb Jahren „Null Covid“ wieder auf den alten Wachstumskurs zu bringen. Es steht bereits praktisch fest, dass Li Qiang den Posten als neue „Nummer 2“ bekommen wird. Wie sämtliche Männer des Führungsteams ist auch der 63-Jährige ein enger Vertrauter Xi Jinpings.

Als Parteisekretär von Shanghai holte er Tesla in die Finanzmetropole und gilt unter vielen Unternehmern als pragmatisch sowie bodenständig. Doch gleichzeitig implementierte Li Qiang vor genau einem Jahr einen radikalen, zweimonatigen Corona-Lockdown, der die wohlhabendste Stadt des Landes schwer traumatisierte und die Wirtschaft zum Erliegen brach. Mutmaßlich führte Li damals „nur“ die Order aus, die ihn aus Peking ereilte – und wurde nun für seine Loyalität befördert.

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