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Chinas Militärmanöver um TaiwanSimulation einer Inselblockade

Peking probt mit Militärmanövern, wie es den Inselstaat isolieren könnte. In Taipeh reagiert man bislang souverän.

Eine chinesische Fregatte feuert eine Luftabwehrrakete ab, hier Mitte Juli Foto: dpa

Seoul taz | Wie das sprichwörtliche gallische Dorf, das von Römerlagern umzingelt wird, haben sich die chinesischen Truppen am Donnerstag aus allen Himmelsrichtungen rund um Taiwan positioniert. Nur wenige Kilometer von der Inselküste entfernt begann die Volksbefreiungsarmee in sechs Zonen mit ihren angekündigten Manövern. Und wie das Verteidigungsministerium in Taipeh bestätigte, wurde dabei auch scharf geschossen: Unter anderem zündete Chinas Militär mehrere Flugkörper, darunter auch Langstreckenraketen.

Während Nancy Pelosi bereits längst in Südkorea weilt, müssen die über 23 Millionen Taiwaner nun mit den Konsequenzen des Besuchs der US-Politikerin zurechtkommen. Die Maßnahmen stellen eine bisher nie dagewesene Provokation dar – nicht zuletzt, weil sie de facto eine Inselblockade in Echtzeit simulieren.

Militärexperten halten das Szenario einer wirtschaftlichen Isolation Taiwans durch China für wahrscheinlicher als einen offenen Eroberungskrieg. Im chinesischen Staatsfernsehen bezeichnete Generalmajor Meng Xiangqing die Manöver als bisher engste „Einkreisung der Insel“: „Das schafft sehr gute Voraussetzungen, um die strategische Lage zugunsten einer Wiedervereinigung zu gestalten.“

Doch wie Mick Ryan, ein pensionierter Armeegeneral aus Australien kommentiert, könnten die Manöver für Peking unerwünschte Nebeneffekte haben. Denn sie werden unweigerlich „wertvolle Einblicke in das militärische Denken und die Fähigkeiten Chinas geben“ – und damit etwa der internationalen Staatengemeinschaft auch potenzielle Schwachstellen der Chinesen offenbaren. Jenes Wissen sei für den Westen von unschätzbaren Wert und helfe bei der künftigen strategischen Ausrichtung in dem Konflikt.

Taipeh bleibt gelassen

Im Verteidigungsministerium in Taipeh gab man sich am Donnerstag betont souverän. „Wir streben keine Eskalation an, aber wir scheuen auch nicht zurück, wenn es um unsere Sicherheit und Souveränität geht“, hieß es. Chinas Militärmanöver wurden als „irra­tio­nale Handlungen“ bezeichnet, die „den regionalen Frieden gefährden“.

Bei den internationalen Reaktionen war vor allem die Vorsicht zu spüren, die Spannungen nicht weiter anzufachen. Die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) rief während ihres Besuchs in Kanada zur Deeskalation auf: Pelosis Besuch dürfe „nicht als Vorwand für militärische Drohgebärden genutzt werden“.

Der Taiwankonflikt im Indopazifik gilt als möglicher Ausgangspunkt einer militärischen Auseinandersetzung zwischen Peking und Washington. US-Präsident Joe Biden verfolgt wie auch seine Vorgängerregierungen eine Strategie der „Ambiguität“. Man will es offenlassen, inwieweit man selbst eingreifen würde, wenn China den Inselstaat angriffe.

Für Xi Jinping ist die Angelegenheit eine höchstpersönliche und auch emotionale. Sein Vater Xi Zhongxun, hochrangiger Parteikader, stand jahrelang in geheimen Austausch mit Vertretern aus Taipeh, um auf eine Wiedervereinigung hinzuarbeiten. Dass er diese zu seinen Lebzeiten nicht mehr erreichte, kränkte ihn zutiefst. Sein Sohn Xi Jinping hat es sich nun zur Aufgabe gemacht, die Vision eines geeinten Mutterlands zu vollenden.

Unerwünschte Vereinigung

Offiziell verfolgt Chinas Staatsführung weiterhin die Strategie, dass man die Herzen der Taiwaner für eine friedliche Wiedervereinigung erobern wolle. Dass dies längst nicht mehr rea­lis­tisch scheint, ist mehr als offensichtlich. Denn die Kommunistische Partei zieht sich seit Jahren zunehmend den Zorn der Inselbewohner zu.

Erst am Mittwochabend lieferte Lu Shaye, Chinas Botschafter in Paris, einen erneuten Vorwand dafür. Während einer Talkshow im französischen Fernsehen gab er ungemein tiefe Einblicke in die Sichtweise des chinesischen Staatsapparats: „Vor zehn, zwanzig Jahren war die Mehrheit in Taiwan für eine Wiedervereinigung“, sagte Lu. Dass sich die Inselbevölkerung mittlerweile dagegenstelle, liege nur an der „antichinesischen Propaganda“ der derzeitigen Regierungspartei. Das zynische Fazit des Diplomaten: „Nach der Wiedervereinigung mit Taiwan werden wir eine Umerziehung durchführen müssen.“

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4 Kommentare

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  • 6G
    659975 (Profil gelöscht)

    Taiwan muss es nur hinbekommen, das in in ein paar Kasernen der Volksbefreiungsarmee der PR China positive Coronatests auftauchen.



    Dann wird das Manöver abgebrochen.



    Null-Covid-Strategie.

  • 4G
    47351 (Profil gelöscht)

    Das ist ja interessant. Taiwans Bürger sollen also nach Ansicht des Botschafters Opfer von Propaganda sein. Wie gut, dass es in der Volksrepublik China so etwas nicht gibt.

    Nach dem letzten mir bekannten Demokratieindex liegt Taiwan auf Platz 8 (nur skandinavische Länder und Irland stehen besser da). Die Volksrepublik China liegt auf Platz 148.

    Ich denke, Taiwan hat sich als souveräner Staat recht gut entwickelt. Die Volksrepublik China hat dort seit über 70 Jahren nichts zu melden. Erstaunlich, wie viele Menschen auch im Westen die gewünschte Annexion Taiwans als Wiedervereinigung oder innere Angelegenheit Chinas missdeuten.

  • Noch Fragen, wer hier eigentlich eskalieren und was mit welchen Mitteln erreichen will? Xi hätte auch andere Vorwände gefunden, da sind Kriegstreiber kreativ.

  • Wie sich Szenarien gleichen, belarus-russiche Manöver rings um die Ukraine seit Oktober 2021, gesteigertem Telefongespächs-, Reiseverkehrsbedarf zwischen Moskau, Washington, London, Paris, Berlin, Rom, Wien, UN Generalsekretär Antonio Guerres unter gegenseitiger Betonung Niemand solle und wolle eskalieren, von Mainstreammedien dankbar verbreitet. Selbst bis Mitte Februar 2022 betont ukrainischer Präsident Wolodomyir Selenskji in Kiew, auf Münchner Sicherheitskonferenz, er rechne wirklich mit keiner russischen Invasion der Ukraine, das sei bekannt Moskaus Propagandakrieg, ganz im Gegensatz zu US Präsident Joe Biden, der ab Dezember 2021 mit Stichtagen Kiew alarmierte, wann russische Invasion erfolgt, bis es angeblich zu aller Überraschung am 24.2.2022 geschah. Und nun VR Chinas Großmanöver rings um Inselstaat Taiwan bereits am Dienstag 2.8.2022 vorauseilend begonnen noch vor US Repräsentantenhaus Sprecherin Nancy Pelosis Besuch in Taiwan 3.8.2022 mit einer US Air Force Maschine, genau diesen Besuch rückwirkend als Anlass chinesischer Manöver anzuführen, während Taipeh betont, man sei militärisch nicht in Aarm-aber Bereitschafstatus und rechne mit keinem Invasionsversuch Taiwans durch die VR China, während im Weisses Haus US Präsident Joe Biden betont, anders als in Ukraine, ist im Fall Taiwan von US Strategie der „Ambiguität“ keine Rede mehr, bei chinesischem Angriff auf Taiwan, militärisch an der Seite Taipehs zu stehen, u. a. mit dem dort gerade angekommen vor Anker liegenden US Flugzeuträger USS Ronald Reagan, die territoriale Integrität, Demokratie, Freiheit Handels, Wandels, Verkehrs mit Personen, Dienstleistungen, Gütern, Wissenstransfer in Special Relationsship mit Taipeh unmittelbar und entschieden zu verteidigen in Koalition Williger der Asian Staaten Australien, Japan, Malaysia, Philippinien, Indonesien, Südkorea, Vietnam, Nato Ländern, darunter Deutschland, das gerade Bundesmarine Kreuzer Bayern aus der Ostsee abgezogen in den Indopazifik entsandt hat