Chiles Rechte hat neue Kandidatin: Duell der Generalstöchter
Bei der Präsidentschaftswahl im November konkurrieren zwei Offizierstöchter. Vor 40 Jahren standen sich ihre Väter gegenüber: als Putschist und Gefangener.
BUENOS AIRES taz | In Chile kommt es bei der Präsidentschaftswahl zu einem Frauenduell. Am Samstag wurde Arbeitsministerin Evelyn Matthei von der rechten Unabhängigen Demokratischen Union (UDI) zur Spitzenkandidatin ernannt. Matthei tritt damit am 17. November gegen die frühere Staatspräsidentin und Sozialistin Michelle Bachelet an. „Bachelet ist nicht unschlagbar“, sagte Matthei im Hinblick auf die in den Umfragen weit vorn liegende Kontrahentin.
Matthei und Bachelet sind beide Töchter von Generälen der Luftwaffe. Sie besuchten die gleiche Schule, als die Familien in der Luftwaffenbasis Cerro Moreno lebten, und ihre Eltern kannten sich auch privat. Doch spätestens mit dem Putsch am 11. September 1973 trennten sich die Wege.
Fernando Matthei, Evelyns heute 88-jähriger Vater, wurde im Dezember 1973 vom Putschgeneral Augusto Pinochet zum Leiter der Kriegsakademie der Luftwaffe gemacht, in der auch ein geheimes Gefangenenlager eingerichtet worden war. 1976 wurde er zum Gesundheitsminister ernannt. 1978 berief der Diktator Matthei zum Chef der Luftwaffe und zum Mitglied der Militärjunta.
Alberto Bachelet, Vater der sozialistischen Kandidatin, war unter der Regierung von Präsident Salvador Allende für die Nahrungsmittelversorgung der Bevölkerung zuständig. Am 14. September 1973, drei Tage nach dem Militärputsch, wurde er verhaftet und dem Kriegsrat unterstellt. Er kam in ebenjenes Gefangenenlager, dessen Leitung wenige Monate später Fernando Matthei übernahm. Bachelet wurde wegen Landesverrats angeklagt und während der Haft mehrfach gefoltert. Er starb am 12. März 1974 im Alter von 51 Jahren in einem Gefängnis in der Hauptstadt Santiago. Ehefrau Angela und Tochter Michelle wurden 1974 verhaftet und gingen 1975 in Exil.
Matthei springt ein, damit die Rechte nicht blank dasteht
Eigentlich hatte Evelyn Matthei bereits ihren Abschied aus der Politik verkündet. Im März 2014 sei Schluss, „beschlossen und besiegelt“, sagte sie vor wenigen Monaten. Dann endet auch die Amtszeit von Staatspräsident Sebastián Piñera. Der hatte sie im Januar 2011 in sein Kabinett geholt – eine Überraschung, denn Anfang der 90er, Matthei war noch Mitglied von Piñeras Nationaler Erneuerungspartei RN, hatten sich die beiden gründlich überworfen und Matthei war zur UDI gewechselt.
Wahlkampferfahrung hat die die 59-Jährige. Je zweimal setzte sie sich bei der Wahl zum Abgeordnetenhaus und zum Senat durch. Nachdem ihre Chancen für eine Präsidentschaftskandidatur schon im Vorfeld als gering eingeschätzt worden waren, reifte ihr Entschluss zum Ausstieg. „In der UDI mögen sie mich nicht“, so ihr Fazit.
Umso überraschender kommt ihre jetzige Nominierung. Die wurde notwendig, nachdem sich der in Vorwahlen siegreiche Kandidat Pablo Longueira letzten Mittwoch aus gesundheitlichen Gründen zurückgezogen hatte.
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