Chemnitzer Haftbefehl im Internet: Staatsanwaltschaft ermittelt
Rechte haben den Haftbefehl der Chemnitzer Staatsanwaltschaft gegen zwei mutmaßliche Täter ins Netz gestellt. Doch das ist verboten.
Wer die Anklageschrift oder „andere amtliche Dokumente eines Strafverfahrens“ öffentlich mitteilt, „bevor sie in öffentlicher Verhandlung erörtert wurden oder das Verfahren abgeschlossen ist“, macht sich strafbar. Das ist im Strafgesetzbuch geregelt (§ 353d Nr. 3).
Den mutmaßlichen Tätern drohen Freiheitsstrafen bis zu einem Jahr oder (wohl eher) Geldstrafen. Strafbar ist nur die „wörtliche“ Wiedergabe solcher Dokumente, etwa als Kopie oder als (nahezu) vollständiges Zitat.
Sinn der Vorschrift ist nicht nur der Schutz von Persönlichkeitsrechten und Unschuldsvermutung, sondern auch der Unbefangenheit von Schöffen und Zeugen eines Strafverfahrens. Da nur Richter, Staatsanwälte und Verteidiger die Akten kennen, soll verhindert werden, dass Aktenbestandteile (etwa Sachverständigen-Gutachten) vorher in der Öffentlichkeit verbreitet werden.
Deshalb ist es auch strafbar, wenn der Angeklagte selbst die Anklage oder andere Dokumente auf einer Webseite veröffentlicht. Bei der Veröffentlichung eines Haftbefehls geht es wohl vor allem um den Schutz von Persönlichkeitsrechten.
Auch Weiterverbreitung und Beihilfe sind strafbar
Strafbar macht sich, wer das Dokument „öffentlich mitteilt“. Es kann also nicht nur derjenige belangt werden, der den Haftbefehl erstmals veröffentlicht hat. Vielmehr ist auch jede weitere Veröffentlichung strafbar, da sich die abstrakte Gefahr für die Rechtsgüter erhöht.
Als „Beihilfe“ zur verbotenen Mitteilung kann die ursprüngliche Weitergabe des Haftbefehls bestraft werden – wenn sie in der Erwartung erfolgte, dass dieser von den Empfängern alsbald veröffentlicht wird. Infrage kommen hier vor allem Personen im Gericht, in der Staatsanwaltschaft und bei der Polizei.
Es wird immer wieder diskutiert, ob Paragraph 353d ein unverhältnismäßiger Eingriff in die Meinungs- und Pressefreiheit darstellt. Viele halten die Strafnorm für völlig ungeeignet, weil sie nur die wörtliche Weitergabe bestraft, während die sinngemäße Mitteilung der Anklageschrift oder eines Gutachtens nicht strafbar ist. Für den Schutz der Persönlichkeitsrechte genüge es, Namen und ähnliches vor der Veröffentlichung zu schwärzen oder zu anonymisieren, sagen Kritiker.
Das Bundesverfassungsgericht hat aber in zwei Entscheidungen, 1985 und 2014, darauf verzichtet, die Norm zu beanstanden. Das strafrechtliche Verbot sei „trotz bestehender Umgehungsmöglichkeiten nicht schlechterdings ungeeignet“. Schließlich könnten Originaldokumente und wörtliche Zitate größeren Eindruck machen als indirekte Zitate.
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