Chemikalienlieferung an Syrien: Exportweltmeister ohne Skrupel
Deutschland lieferte über 100 Tonnen Chemikalien nach Syrien. Darunter Substanzen, die für die Herstellung von Sarin benötigt werden.
BERLIN epd/rtr/taz | Deutschland hat zwischen 2002 und 2006 Chemikalien an Syrien geliefert, die zur Herstellung des Giftgases Sarin benötigt werden. Das geht aus einer Antwort des Bundeswirtschaftsministeriums auf eine Anfrage der Linkspartei hervor.
Demnach haben die damaligen Bundesregierungen von SPD und Grünen (2002-2005) sowie SPD und Union (2005-2006) die Lieferung von rund 111 Tonnen sensibler Chemikalien an Syrien genehmigt. Den Angaben zufolge handelt es sich bei den Lieferungen um Fluorwasserstoff, Natriumfluorid und Ammoniumhydrogenfluorid. Alle drei Substanzen sind genehmigungspflichtig, da sie direkt für die Produktion von Sarin eingesetzt werden können.
„Aus Sicht der Bundesregierung gibt es auch nach aktueller Prüfung keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass die aus Deutschland nach Syrien gelieferten Chemikalien für andere als die angegebenen zivilen Zwecke verwendet worden wären", hieß es am Mittwoch in Kreisen des Bundeswirtschaftsministeriums. Daher sei es falsch, einen Zusammenhang mit einer missbräuchlichen Nutzung für C-Waffen herzustellen.
Zudem hätten die Chemikalien eine breite zivile Anwendung etwa zur Oberflächenbehandlung von Metallen, der Fluorierung von Trinkwasser und der Herstellung von Zahnpasta. Es handle sich damit um klassische „Dual-Use-Güter“, die sowohl zu zivilen als auch militärischen Zwecken eingesetzt werden könnten, hieß es im Wirtschaftsministerium.
Auch seien die Genehmigungen nach sorgfältiger Prüfung aller eventuellen Risiken, einschließlich von Missbrauchs- und Umleitungsgefahren im Hinblick auf mögliche Verwendungen im Zusammenhang mit Chemiewaffen, erteilt“, heißt es in der Antwort des Bundeswirtschaftsministeriums. Die Bewertung aller verfügbaren Informationen hätte keine Hinweise auf eine militärische Nutzung ergeben. Hinweise, dass die gelieferten Güter zwischenzeitlich anders verwendet worden waren, lägen nicht vor.
Kritik von der Linken
Der Rüstungsexperte der Linkspartei, Jan van Aken, erhob schwere Vorwürfe gegen die Verantwortlichen der rot-grünen sowie der schwarz-roten Regierung zwischen 2002 und 2006. „Es kann und darf nicht sein, dass diese Chemikalien ausgerechnet nach Syrien geliefert wurden, von dem man damals schon wusste, dass es ein riesiges Chemiewaffenprogramm unterhält“, sagte van Aken. Allen Beteiligten müsse klar gewesen sein, dass sie für die Produktion von Sarin eingesetzt werden könnten.
Gregor Gysi, Bundestagsspitzenkandidat der Linken, nahm auf seinem facebook-Profil ebenfalls Stellung: „Deutschland ist offenkundig mitschuldig an dem Tod von über 1.400 Kindern, Frauen und Männern durch den nun festgestellten Chemiewaffenanschlag vom 21. August bei Damaskus.“
Bei einem Angriff mit Sarin waren am 21. August im Raum Damaskus 1.400 Menschen getötet worden. Westliche Regierungen machen die Truppen des syrischen Präsidenten Baschar al-Assad dafür verantwortlich.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Anschlag in Magdeburg
Bis Freitag war er einer von uns
Elon Musk und die AfD
Die Welt zerstören und dann ab auf den Mars
Magdeburg nach dem Anschlag
Atempause und stilles Gedenken
Bankkarten für Geflüchtete
Bezahlkarte – rassistisch oder smart?
Analyse der US-Wahl
Illiberalismus zeigt sein autoritäres Gesicht
EU-Gipfel zur Ukraine-Frage
Am Horizont droht Trump – und die EU ist leider planlos