piwik no script img

Chefredakteurin Ines Pohl verlässt die tazMach‘s gut!

Eine Frau mit Prinzipien, schlagfertig, belesen, telegen: Ines Pohl hat sich in der taz immer rückhaltlos eingebracht.

Sechs Jahre lang war sie Chefredakteurin: Ines Pohl. Foto: Anja Weber

Berlin taz | Der Applaus zum Abschied ist lang und warm. Freitagvormittag, elf Uhr. Im Konferenzraum der taz in der Rudi-Dutschke-Straße hat Ines Pohl gerade ihren Rücktritt erklärt. Sie werde künftig, hat sie gesagt, für die Deutsche Welle aus Washington berichten. Und sie wird, versichert sie, „euch verbunden bleiben.“ Die taz bleibe ihre „erste große Liebe, und die erste große Liebe, das wissen wir alle, kann es nur einmal geben.“ Langer, langer Applaus. Jemand reicht Blumen, dann Taschentücher.

Die Emotionalität dieses Augenblicks erklärt sich einerseits aus der Überraschung über die Personalie. Die allermeisten Anwesenden waren nicht eingeweiht in Pohls Pläne. Sie erklärt sich aber auch aus der Erkenntnis, dass in der wechselvollen Geschichte der taz in diesem Moment eine Chefredaktions-Ära zu Ende geht.

ChefIn sein ist in diesem linken Projekt, in dem seit 37 Jahren grandios der Wunsch nach Führung mit dem Widerstand gegen ebendiese kollidiert, keine einfache Angelegenheit. Alles wird persönlich genommen. Und als Person hat Ines Pohl sich in ihren zurückliegenden sechs Jahren rückhaltlos eingebracht.

Fragt man unter den KollegInnen herum, welche Eigenschaften sie mit ihrer - nun ehemaligen - Chefredakteurin verbinden, kommt umgehend sehr viel Lob. Schnell im Denken sei sie, heißt es dann. Schlagfertig. Telegen. Belesen. Und laut auf eine zupackende, Nähe herstellende Weise. Sie sei eine ausgezeichnete Sängerin. Und eine Kollegin, deren Koordinatensystem in erster Linie von journalistischer Ethik bestimmt ist. Eine Frau mit Prinzipien mithin.

Insgesamt, das darf man so sagen, ist Ines Pohl eine Journalistin, die Konflikten nicht nur nicht ausweicht, sondern sie auch bis zum Ende austrägt. Ernst in der Sache, nie verletzend im Ton. So schnell wirft die Frau mit den Boots nichts um. Selbst in stürmischen Situationen verfügt die 48-Jährige über einen inklusiven Humor, der tatsächlich jeden und jede meint und einbezieht.

Michelle Obama bleibt im Glaskasten der taz und applaudiert zum Abschied. Foto: Karsten Thielker

Dinge bewegen, KollegInnen fördern

In der taz, muss man dazu wissen, bedarf es einer gewissen Leidensfähigkeit im Zwischenmenschlichen. So egalitär das Menschenbild ihrer Redaktionsmitglieder ist, so hart kann das Ringen um linke Überzeugungen ausfallen. Wer auch immer Ines Pohl nachfolgt, wird das auszuhalten haben. Ihr Co-Chefredakteur Andreas Rüttenauer wird nun die Geschäfte weiterführen.

In Washington dürfen sie sich auf eine Kollegin freuen, die Dinge bewegt. In den zurückliegenden sechs Jahren hat Ines Pohl das Projekt einer üppigen Wochenend-Ausgabe vorangetrieben, die den Vergleich mit anderen Publikationen nicht scheuen muss. Pohl hat geduldig gegen die Ängste altgedienter KollegInnen anargumentiert. Sie hat taz.de gepusht und das ins Werk gesetzt, was die Branche heute unter Print-Online-Verzahnung versteht. Sie hat junge KollegInnen gefördert und dafür gesorgt, dass die taz und ihre Mitarbeitenden in sehr engem Kontakt mit ihren Leserinnen und Lesern stehen. Sie hat das Blatt nach außen vertreten und mit Verve für die Idee der Genossenschaft geworben, deren 15.000 Mitglieder die taz finanzieren.

Als an diesem Freitagvormittag alles gesagt ist, verlässt Ines Pohl den Konferenzraum. Das war kein leichter Gang. Wenig später trifft man sie in ihrem Büro in der vierten Etage wieder, dem berühmten Glaskasten. Die Blumen der KollegInnen stehen in einer Vase auf ihrem Schreibtisch. Am Fenster steht die lebensgroße Pappfigur von Michelle Obama und applaudiert stumm.

Was machst du jetzt, Ines? „Ich räume mein Büro auf und dann mache ich Sport.“

Wie geht es dir jetzt? „Gut. Ich bin gut mit der taz.“

Danke, Ines, für die gemeinsame Zeit mit dir. Alles Gute!

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

18 Kommentare

 / 
  • Wie auch immer - Interna sind Interna -

     

    gilt es, das kritische Profil wieder so nennbar zu machen.

  • 7G
    76530 (Profil gelöscht)

    Zum Thema ´Erste Liebe´ fällt mir vor allem anderen ein, dass meine späteren Lieben andere als die Erste waren und auch ich mich seitdem verändert habe. Ines Pohl wünsche ich, dass Sie sich auch in ihrer neuen Umgebung im Kern treu bleibt und nicht einer ´Fischerisierung´ zum Opfer fällt. Es wäre schade um sie.

  • Na , das überrascht mich nicht; der Trend geht eh weiterhin Richtung Einheitspresse und passt zum Bisherigen, der gesteuerten Berichterstattung

  • See you downtown, Ines!

  • Lieber Index, abwarten inwieweit Frau Pohl sich korrumpieren lässt. Vermutlich sehen sie in allen Vertretern der sog. bürgerlichen Medien ausschließlich Büttel des "Schweinestaats"; mit dem Begriff habe ich keine Schwierigkeiten, allerdings sehe ich hier und da doch einige anständige JournalistInnen.

    Ich bewundere vor allem Frau Pohls 10 lange Jahre als "Schläferin" bei der Hals, Nasen Ohrenzeitung (Ippens HNA)

  • Schnüff.

  • "Mach's gut" - issen feines Motto - ja -

    …läßt frauman es mal französisch ala -

    Fait le bien - changieren.

     

    kurz - die Gute is doch augenscheinlich noch poppenmunter;

    Da hätte ein den ganzen Kreis durchmessendes differenzierteres Bild ehrlicher gewirkt und die innere Verfassung du taz nicht so blockschokoladig-introvertiert- selbstbezüglich erscheinen lassen.

    Bon voyage Ines Pohl.

  • [...] Kommentar entfernt. Bitte Netiquette beachten. Die Moderation







     

    • @Index:

      Du sieht das von der falschen Seite!

      Einen regierungstreuen Sender könnte niemand von außen zu kritischeren Berichten bringen, aber jemand wie Frau Pohl könnte das in ihrer Position als Auslandskorrespondentin sehr wohl.

    • @Index:

      weil taz.de auch solch respektlosen driss bringt, der eigentlich auf den index gehört...

      • @Gion :

        Na ja, er hat ja nicht unrecht mit seiner Kritik. Vom ehemals investigativem - mittlerweile pseudo investigativem Lager zu den "Leit"medien, da gehört schon 'ne Korkenzieherseele dazu - Ines, bis zum nächsten Presseclub!

  • Mir hat besonders gut gefallen, wie Ines Pohl die Berichterstattung über die Praktiken in den Haasenburg Heimen konsequent gestützt und gefördert hat. Das dürfte kein Zuckerschlecken für die Chefredakteurin gewesen sein. Wenn man einmal in so einen Haufen reingetreten ist, fliegt einem kübelweise die Scheiße um die Ohren. Dazu braucht es an verantwortlicher Stelle eine Person mit unendlich viel Standvermögen. Dank an Ines Pohl - insbesondere dafür - und viel Spaß und ein glückliches Händchen für die neue Aufgabe bei der Deutschen Welle.

  • Ein Mensch in die USA

    Das ist für mich persönlich sehr schade, ein Verlust.

    Ich wünsche ihr in Washington sehr viel Freude und Erfolg.

    Über die Deutsche Welle wird man von ihr hören und über 

    die taz auch lesen?

    Ich denke, sie wird uns über die Amerikanische Denkweise Yes we can -

    and we'll do it und dort über die "Europäer" berichten.

    Europa wurde von einem Stier, dem Symbol der steigenden Börse entführt.

    Wir haben von den Kelten und Römern hier den Gott Mithras, als den Wahrer

    der Verträge und des Rechts übernommen. Der stammt aus zentral Anatolien (Hattusa)

    und bezwingt den Stier mit blossen Händen mit einem Dolch.

    Bin gespannt, ob das auch heute noch erfolgreich ist: Occupy Wall Street ? https://www.dropbox.com/s/6lyhsrd5fia5cd7/Screenshot%202015-06-29%2020.27.43.png?dl=0

    Alles Gute wünscht Peter Meisel

  • Knapp "ein Jahr vor Volksmund" der da sagt: "Alle sieben Jahre eine neue Herausforderung suchen!" Was aus denen wurde, die fast 7 x 7 Jahre ausharrten, daß ist in Kreuzberger Kneipen zu besichtigen. Selten zu bestaunen.

     

    Seit Ines Pohls Beginn ist die taz noch mal viel lebendiger geworden, frecher, immer auch auf der Höhe der Zeit. Und sprachlich bereichernd...

  • Tränen für Ines Pohl. Sie wird mir sehr fehlen. Die taz wurde sehr von ihr geprägt. Viel wurde bewegt - ich auch, gerade jetzt besonders. Alles Gute, viel Erfolg und - bewegen Sie auch in den USA etwas, Ines Pohl! Sie werden auch bei den Lesern in nachhaltiger Erinnerung bleiben.

     

    Danach muss es weiter gehen. Andreas Rüttenauer, übernehmen Sie! Führen sie das weiter, was wir an Gutem von ihr angestoßen bekommen haben. Das was zu ändern wäre und uns Lesern kaum aufgefallen ist, das liegt jetzt vor Ihnen und Ihren bewährt guten Kollegen. Packen Sie die Themen weiter aus der bekannten Richtung an und nehmen Sie sich die Freiheit zu den Themen den Abstand oder die Nähe ebenso selbst zu bestimmen wie das Tempo.

     

    Achja - und vergessen Sie den Humor nicht, der immer wieder ganz unverhofft hervorblitzt!

    • @noevil:

      naj, in letzter Zeit war sie kaum noch präsend, auch die neue Taz hat sich bemerkbar gemacht, der schnelle Wechsel der Beiträge, das liess kaum noch eine Dikussion zu, daher blieb die Rubrik Kommentare meist leer

      • @Georg Schmidt:

        Da haben Sie sicher so einige Themen übersehen...

  • wie ich schon anderseits erwähnte, der Job bei der DW ist wie ein sechser, super Gehalt, tolle Altersversorgung, schöne Dienstreisen, eine Party jagt die andere, sie wäre dumm gewesen , dies nicht anzunehmen, mit einem Wort, Urlaub bis zur Rente"