Chefposten frei in Thüringen: Ramelow verzichtet auf Amt
Der Spitzenkandidat der Linken in Thüringen, Bodo Ramelow, muss nicht Ministerpräsident werden, sagt er selbst - und entsetzt seine Linke-Bundesspitze.
DRESDEN taz | Was als linkes Angebot an die potenziellen Koalitionspartner SPD und Grüne gedacht war, verwirrt die eigene Partei und setzt die SPD unter Zugzwang. Thüringens linker Wahlsieger Bodo Ramelow sagte am Freitag laut, was er leise längst angedeutet hatte. Er bestehe nicht mehr darauf, selbst Ministerpräsident eines rot-rot-grünen Bündnisses zu werden, sondern alle drei Partner sollten "gleichberechtigt einen Personalvorschlag machen". Er könne sich sehr gut eine Frau vorstellen. Ramelow stellte klar, dass es ihm vorrangig um einen politischen Kurswechsel weg von der CDU gehe: "Ich bin nicht wichtiger als das Projekt."
Der Vorstoß war offenbar nicht mit der Berliner Parteispitze abgesprochen. Sowohl Oskar Lafontaine als auch Gregor Gysi hatten wiederholt auf dem Vorrecht bestanden, als stärkste Fraktion den Ministerpräsidenten zu stellen. "Wir werden nicht verzichten", bekräftigte Bundesgeschäftsführer Dietmar Bartsch auch am Freitag gegenüber der taz. Keinesfalls werde die Linke den SPD-Spitzenkandidaten Christoph Matschie zum Ministerpräsidenten wählen. Vorsichtiger gab sich Gysi im RBB-Rundfunk: "Wenn es Bodo Ramelow nicht mehr macht - das will ich ja gar nicht glauben -, dann wird es einen anderen geben."
Thüringens Landesparteichef Knut Korschewsky räumte ein, dass er lieber zuerst inhaltliche Gemeinsamkeiten sondiert und dann über Personalien geredet hätte. "Man kann darüber streiten, ob jetzt der günstigste Zeitpunkt für ein solches Angebot war", so Korschewsky. Linke-Fraktionschef Dieter Hausold stimmte Bundesgeschäftsführer Bartsch insofern zu, als dass Matschie der Linkspartei und ihren Wählern bei einem SPD-Stimmenanteil von nur 18,5 Prozent nicht vermittelbar wäre.
Mit ihrer Interpretation von Ramelows Äußerungen zieht sich die Thüringer Linke geschickt aus der Affäre. Der Spitzenkandidat habe nie förmlich auf seinen Anspruch verzichtet, so Parteichef Korschewsky. Sein Vorschlagsrecht wahrzunehmen könne eben auch heißen, die Verständigung auf eineN gemeinsameN dritteN KandidatIn vorzuschlagen. Eine konkrete Person habe man aber nicht angesprochen, wird versichert. Die Linke dreht clever das von ihrem Frontmann angeschobene Rad weiter. Wenn die Personalfrage nun einmal vor die inhaltliche gerückt sei, liege der Ball jetzt bei der SPD. "Wenn die SPD eine Reformregierung will, muss sie auch die Personalie Matschie zur Disposition stellen", verlangte Fraktionschef Hausold. Das solle möglichst bis zum nächsten Sondierungsgespräch am Montag geschehen.
Doch bei der SPD zeigte man Gelassenheit und wollte erst einmal die Beschlüsse des Grünen-Parteirats vom Freitagabend zur Aufnahme offizieller Sondierungsgespräche abwarten. SPD-Landesgeschäftsführer Jochen Staschewski behauptete, seine Partei sehe keine Veranlassung, "einen anderen Kandidaten aus dem Ärmel zu ziehen".
Die Grünen schienen sich Freitagabend entgegen ersten Stellungnahmen der Landeschefin Astrid Rothe-Beinlich für die Aufnahme rot-rot-grüner Gespräche entscheiden zu wollen.
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