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Chef der Präsidialverwaltung in UkraineDer harte Verhandler

Der ukrainische Präsident Wolodimir Selenski ernennt Andrei Jermak zum neuen Chef der Präsidialverwaltung. Zuvor war er sein Berater.

Andrei Jermak werden gleichermaßen gute Kontakte nach Washington und Moskau nachgesagt Foto: Imago

BERLIN taz | „Der wichtigste Diplomat des Landes“, ein „harter Verhandler“ und „Selenskis zweiter Schatten“. Das sind nur einige der Bezeichnungen, die derzeit über Andrei Jermak in ukrainischen Medien kursieren. Am Dienstag ernannte der ukrainische Präsident Wolodimir Selenski den 48-jährigen Kiewer zum neuen Chef der Präsidialverwaltung.

Für Jermak, über dessen Privatleben – so überhaupt vorhanden – keine Informationen vorliegen, ist ein Arbeitsplatz in der Nähe des Staatsoberhaupts kein unbekanntes Terrain. Im Mai vergangenen Jahres und unmittelbar nach Selenskis Sieg bei der Präsidentenwahl wurde er dessen persönlicher Berater, was für ihn den Einstieg in die große Politik bedeutete.

Von Haus aus ist Jermak Jurist mit dem Schwerpunkt Internationales Privatrecht. 1997 gründete er eine Kanzlei, die sich auf Handels- und Urheberrecht, insbesondere für Fernsehsender, Fernseh- und Medienkonzerne, Film- und Fernsehproduktionsfirmen spezialisierte. Seine Expertise in Sachen Urheberrecht brachte er auch bei der Ausarbeitung entsprechender Gesetze ein.

In die nuller Jahre fallen erste Erfahrungen mit der Parlamentsarbeit. 2006 wurde Jermak Mitarbeiter des Abgeordneten Elbrus Tadejew von der Partei der Regionen – der Partei von Ex-Präsident Wiktor Janukowitsch, der 2014 im Zuge der Proteste (Euromaidan) gestürzt wurde und es vorzog, die Ukraine zu verlassen.

2012 gründete Jermak die Produktionsfirma Garnet International Media Group und war als Filmproduzent an mehreren ukrainischen und internationalen Filmprojekten beteiligt. In dieser Zeit lernte er auch Selenski besser kennen, der damals mit seiner TV-Show „95 Kwartal“ die ZuschauerInnen beglückte.

Treuer Begleiter

Als Berater an Selenskis Seite versuchte sich Jermak an der Außenpolitik, wobei seine fehlende Erfahrung auf internationalem Parkett offensichtlich keine Rolle spielte. Doch Unkenntnis und Ignoranz waren gestern. Er begleitete Selenski, den er in einem Interview mit einem ukrainischen Fernsehsender als seinen Freund bezeichnete, auf allen Auslandsreisen. Schon bald gelang es ihm, sich auf diesem Politikfeld zu profilieren.

Mittlerweile werden Jermak gleichermaßen gute Kontakte nach Washington und Moskau nachgesagt. So tütete er den jüngsten Gefangenenaustausch zwischen Russland und der Ukraine ein. Auch an der Vorbereitung des Treffens im Normandie-Format im Dezember vergangenen Jahres in Berlin – des einzigen Rahmens für eine friedliche Beilegung des Konflikts in der Ostukraine – war er federführend beteiligt. Auch künftig dürfte er versuchen, diesem mühsamen Prozess mitzugestalten. Er sehe Raum für Kompromisse bei den Verhandlungen, sagte er am Mittwoch auf einer Pressekonferenz.

Für seine Tätigkeit als Berater des Präsidenten habe Jermak keinen Lohn erhalten, schreibt das ukrainische Onlineportal liga.net unter der Überschrift „Wer ist eigentlich Andrei Jermak?“. Das dürfte sich, Freundschaft hin oder her, jetzt wohl ändern. Barbara Oertel

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