Chaos um die A100: Grünen schalten in den Wahl-Gang
Die CDU lässt Berlin still stehen, finden die Grünen – und präsentieren einen Plan, wie das Chaos zwischen A100 und Elsenbrücke behoben werden kann.
Ja, ist denn schon Wahlkampf? Am Mittwochmorgen um 9 Uhr sieht es an der Kreuzung von Puschkinallee und Elsenstraße ganz danach aus. Auf dem Parkplatz des Gartencenters „Der Holländer“ und in Hörweite des dichten (aber immerhin nicht komplett verstopften) Verkehrs steht Berlins grüner Spitzenkandidat Werner Graf mit seiner Co-Fraktionschefin Bettina Jarasch. Auch die beiden verkehrspolitischen Sprecherinnen der Grünenfraktion und die grünen Verkehrsstadträtinnen von Friedrichshain-Kreuzberg und Treptow-Köpenick sind gekommen. Ihre Message prangt in Gelb auf Grün von einem kleinen Laster: „CDU regiert. Berlin steht im Stau.“
Die Stoßrichtung ist klar: Seit der Inbetriebnahme des 16. Bauabschnitts der A100 bis zum Treptower Park hat sich die Verkehrssituation rund um die Elsenbrücke noch einmal verschärft. Die Brücke wurde abgerissen und wird aktuell neu gebaut, Mitte kommenden Jahres soll zumindest die westliche Hälfte fertig sein. Zusammen mit einer 2021 errichteten stählernen Behelfsbrücke bringt sie dann schon deutlich mehr Fahrzeuge über die Spree als derzeit. Die östliche Hälfte wird frühestens 2028 fertig sein.
Werner Graf und seine Mit-Grünen fordern bei ihrem Vor-Ort-Termin vom Senat, die bundeseigene Autobahn GmbH zu einer Rücknahme der Autobahnöffnung zu bewegen – mindestens bis die halbe Elsenbrücke fertig ist. Denn das aktuelle Verkehrschaos sei den AnwohnerInnen des Nadelöhrs nicht zuzumuten. „Im Vorfeld haben alle Experten gewarnt, dass es kein Verkehrskonzept gibt und der Stau in die Kieze der Menschen hineindrängen wird“, so Graf. „Es ging hier nur um schnell, schnell, schnell – und es wurde schlecht, schlecht, schlecht.“
Der „Acht-Punkte-Plan“, den die Gruppe am Mittwoch präsentiert, enthält zudem Forderungen, die Ampelschaltungen rund um die Engstelle zu optimieren, die Radwege und Busspuren mit Pollern und PolizistInnen freizuhalten sowie Messstellen für Luftqualität und Lärm aufzustellen. Und, natürlich: den höchst umstrittenen 17. Bauabschnitt der A100 von Treptow bis Prenzlauer Berg „endgültig zu beerdigen“.
Dass die Bundesregierung für diese baulich extrem aufwändige Teilstrecke zuletzt die Finanzierung gestoppt habe, mache deutlich, dass sie „absehbar nicht mehr komme“. Höchste Zeit also, die Ausschreibung für die östliche Elsenbrücken-Hälfte endlich auf den Weg zu bringen. Das ist unter anderem deshalb noch nicht geschehen, weil unklar ist, ob und wie diese Planung mit einer künftigen Autobahnbrücke kollidiert. Aber selbst wenn die sich am Ende nicht verhindern lasse, so die Grünen, sei das noch locker 15 bis 20 Jahre hin.
„Frau Bonde hat gelogen“
Antje Kapek, verkehrspolitische Fraktionssprecherin, feuert derweil eine Breitseite auf die CDU-Verkehrssenatorin: „Frau Bonde hat gelogen!“ Gemeint ist deren Aussage im Verkehrsausschuss des Abgeordnetenhauses, eine von ihrem Haus durchgeführte Verkehrssimulation habe die nun eingetretene Verschlechterung des Staugeschehens nicht vermuten lassen.
„Auf unsere Bitte, diese Simulation einsehen zu können, hat sie dann erst davon gesprochen, dass der Bund diese Simulation gemacht habe. Dann wiederum soll sie irgendwie Teil des Planfeststellungsverfahrens gewesebn sein“, so Kapek. „Aber das ist schon vor zehn Jahren abgeschlossen worden!“
Die Grünen-Politikerin hält die vermeintliche Verkehrssimulation für Erfindung von der Senatorin, in deren Handeln sie ein Muster erkannt haben will: „Frau Bonde haut einfach Sachen raus, ohne sich mit ihrer Verwaltung rückzukoppeln.“
Idee verkündet, dann zurückgezogen
Das gelte auch für die „Schnapsidee“, den Radverkehr umzuleiten, um auf der Behelfsbrücke Platz mehr mehr Auto-Fahrspuren zu schaffen. Diesen im September von Bonde spontan verkündeten Plan hat die Verkehrsverwaltung mittlerweile wieder zurückgezogen – weil die Behelfsbrücke für eine höhere Gewichtsbelastung erst umgebaut werden müsste.
Die Verkehrsstadträtinnen der beiden betroffenen Bezirke, Annika Gerold (Friedrichshain-Kreuzberg) und Claudia Leistner (Treptow-Köpenick) beklagen derweil die gewachsene Verkehrsbelastung in den benachbarten Wohnvierteln, etwa dem Treptower Kungerkiez. Aktuelle Verkehrszählungen gibt es zwar nicht, aber „wir sind mit den AnwohnerInnen gut vernetzt, und die berichten uns das“, sagt Leistner. Immerhin: Zur Absicherung einer Fahrradstraße in der Bouchéstraße werde man im kommenden Jahr Modalfilter errichten, die dann den Verkehr aus dem Kiez herausleiteten.
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