Chaos bei Alternative für Deutschland: Kopflos in NRW

Der Parteitag in Bottrop wurde abgesagt. Auch sonst macht die AfD in NRW nicht den besten Eindruck. Das könnte auch Konsequenzen für die Bundespartei haben.

Sind jetzt keine guten Freunde mehr: Bernd Lucke (l.) und Marcus Pretzell im Januar 2015 Bild: dpa

DÜSSELDORF dpa | Die Alternative für Deutschland könnte in Nordrhein-Westfalen Parteigeschichte schreiben. Wenn sich bestätigt, was das Landesschiedsgericht gerade prüft, arbeitet der Landesverband seit fast einem Jahr ohne rechtmäßigen Vorsitzenden – quasi kopflos. Das könnte sich aus dem Parteienrecht ergeben, bestätigte der Vize-Vorsitzende der AfD NRW, Reiner Rohlje, am Mittwoch der Deutschen Presse-Agentur in Düsseldorf. Für die Partei hätte das weitreichende Folgen.

Als der Bielefelder Rechtsanwalt Marcus Pretzell sich im Juni 2014 zum Landeschef wählen ließ, habe der Europa-Parlamentarier gar keinen Wohnsitz mehr in NRW gehabt. Dies sei aber parteirechtlich Voraussetzung. Deswegen könnten nun alle Beschlüsse des Landesverbands seit dieser Zeit unwirksam sein. Zu diesem Ergebnis kommen zwei Sonderermittler, die im Auftrag des Bundesvorstands Vorwürfe gegen Pretzell geprüft haben. Der 41-Jährige gehört zu den schärfsten Kritikern von Parteichef Bernd Lucke.

Wie das Handelsblatt berichtete, könnte Pretzells zeitweise „meldungsrechtliche Wohnungslosigkeit“ auch große Rechtsunsicherheit für die Bundespartei nach sich ziehen. Sie will auf ihrem Bundesparteitag am 13. Juni in Kassel einen neuen Vorstand wählen. Die Bundesspitze hat das Landesschiedsgericht um Prüfung gebeten.

Damit ist die Skandalgeschichte aber noch lange nicht zu Ende erzählt. Am Mittwoch musste kurzfristig der am Wochenende geplante Parteitag der AfD NRW in Bottrop abgesagt werden. Das Landesschiedsgericht sah Ladungsfristen verletzt. Jetzt ist fraglich, wie und ob der - nach eigenen Angaben mit rund 4.500 Mitgliedern größte – Landesverband überhaupt noch rechtzeitig Delegierte für den Bundesparteitag wählen kann.

Neben der Front Lucke gegen Pretzell gibt es weitere Animositäten innerhalb des elfköpfigen Landesvorstands. Gegen mehrere Mitglieder - darunter auch gegen Pretzell – lagen im Vorfeld des Bottroper Parteitags Abwahlanträge vor. Pretzell hatte kürzlich bekräftigt, er sehe keinen Grund für einen Rücktritt – zwei Stellvertreter wollten ihre Ämter hingegen niederlegen.

Familiäre Turbulenzen

Aus Berlin wurde der Konflikt zusätzlich befeuert. Erst am Dienstag hatte die AfD-Spitze eine Abmahnung gegen Pretzell ausgesprochen – eine indirekte Empfehlung, ihn abzuwählen. In der Begründung hieß es, Pretzell habe „mehrfach eine falsche oder geschönte Darstellung eigener Verfehlungen gegenüber der Mitgliedschaft des Landesverbands NRW verbreitet“.

Pretzell stand im Mittelpunkt einer sogenannten Parteikonto-Affäre. Eine Steuerschuld des AfD-Manns hatte das Finanzamt veranlasst, die Summe kurzfristig über das Parteikonto zu pfänden. Pretzell hatte selbst „private chaotische Zustände“ infolge familiärer Turbulenzen eingeräumt. Vom Verdacht, der Partei möglicherweise finanziell geschadet zu haben, wurde er allerdings von den Sonderprüfern entlastet.

Pretzells Noch-Stellvertreter Rohlje sagte, er schäme sich für das Chaos im Landesvorstand. Mit Pretzells Art komme er nicht zurecht. „Das hat nichts mit Flügelkämpfen zu tun“, erklärte er. „Wir sind bürgerlich-konservativ. Wir sind Spießer sozusagen. Wir legen eben Wert auf Anstand und Ehrlichkeit.“

Seit Gründung des AfD-Landesverbands vor zwei Jahren ist Pretzell bereits der vierte Vorsitzende – einschließlich einer kommissarischen Besetzung. Auch in anderen Landesverbänden der AfD gibt es heftige Personal-Querelen. In Hessen wurde gerade der Landesvorstand von einem Parteitag aus dem Amt gekippt. Bundesvorstandsmitglied Gustav Greve hatte den Umgangston in der Partei kürzlich als „inakzeptabel und bodenlos“ bezeichnet.

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