Chance für die Rechtspopulisten: Wenn zwei streiten, freut sich die FPÖ
Bei Neuwahlen in Österreich drohen SPÖ und ÖVP Verluste, während der Rechtsaußen-Partei FPÖ 20 Prozent zugetraut werden.
WIEN taz Dass die große Koalition vor 18 Monaten überhaupt zustande kam, war dem Mangel an Alternativen geschuldet. Keine andere Zweierkombination hätte sich auf eine Mehrheit im Nationalrat stützen können. Dieses Dilemma wird durch die Neuwahlen im September nicht zwingend aufgelöst.
Denn beide Großparteien könnten gegenüber dem Ergebnis vom 1. Oktober 2006 verlieren. Stimmen der SPÖ wandern, wenn man die Umfragen der jüngsten Zeit zugrunde legt, zu den Grünen und vor allem zur FPÖ. Auch die ÖVP dürfte an Grün, Blau aber auch an die Nichtwähler verlieren. Die große Gewinnerin, da sind sich praktisch alle Demoskopen einig, wird die FPÖ sein, die sich nach der Abspaltung des BZÖ vor drei Jahren wieder erholt hat.
Während das BZÖ im Grunde eine Sekte in Jörg Haiders Kärnten bleibt und bei Wahlen in anderen Bundesländern entweder scheitert oder gar nicht antritt, hat die FPÖ überall kräftig zugelegt. Aus den bundesweiten 11 Prozent im Jahr 2006 sind in den Umfragen um die 20 Prozent geworden. Durch die Regierungsbeteiligung ab 2000 war die unter Jörg Haider zur zweitstärksten Partei aufgestiegene FPÖ entzaubert worden.
Die traditionelle Protestpartei erwies sich im Regierungsalltag als unfähig, ihre Personaldecke als äußerst prekär. Haiders Versuch, von Kärnten aus Oppositionspolitik zu machen, führte zur Implosion. Bei den vorgezogenen Neuwahlen 2002 wanderten FPÖ-Wähler scharenweise zur ÖVP und bescherten dem damaligen Bundeskanzler Wolfgang Schüssel einen historischen Wahlsieg. Heinz-Christian Strache führte die Rechtspopulisten wieder auf strammen Oppositionskurs. Zwei ebenso schlichte wie demagogische Parolen ersetzen ein Parteiprogramm: gegen Brüssel und gegen Ausländer. Strache ist deswegen weder für die ÖVP noch für die SPÖ ein appetitlicher Partner.
SPÖ-Parteichef Werner Faymann hat eine Allianz mit der FPÖ letzte Woche dezidiert ausgeschlossen, und auch die ÖVP vermeidet Annäherungssignale. Trotzdem kann es sein, dass eine Koalition mit einer erstarkten FPÖ demnächst die einzig mögliche Alternative zu einer Neuauflage der großen Koalition ist. RALF LEONHARD
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Anschlag in Magdeburg
Bis Freitag war er einer von uns
Elon Musk und die AfD
Die Welt zerstören und dann ab auf den Mars
Magdeburg nach dem Anschlag
Atempause und stilles Gedenken
EU-Gipfel zur Ukraine-Frage
Am Horizont droht Trump – und die EU ist leider planlos
Biden hebt 37 Todesurteile auf
In Haftstrafen umgewandelt
Anschlag von Magdeburg
Aus günstigem Anlass