Chance auf würdiges Gedenken: Gedenken ent-privatisiert

Kommerzieller Gedenkort im Hamburger Stadthaus, der Ex-Gestapo-Zentrale, ist wegen Insolvenz gescheitert. Jetzt steigt eine Stiftung ein.

Ausstellungstafel im Hamburger Stadthaus

Kommerzielles Konzept gescheitert: Nun übernimmt eine Stiftung das Gedenken im Stadthaus Foto: Daniel Bockwoldt/dpa

HAMBURG taz | Was Kritiker seit Langem fordern, tritt jetzt ein: Die in Neuengamme angesiedelte Stiftung „Hamburger Gedenkstätten und Lernorte“ wird den Betrieb des Gedenkorts im innerstädtischen Stadthaus übernehmen. Auslöser ist die jetzt angemeldete Insolvenz von Stephanie Krawehl, die seit vier Jahren den „Lesesaal“ betreibt, einen „Dreiklang“ aus Buchladen, Café und NS-Dokumentationsort.

Ersonnen hatten dieses Konstrukt die Stadt Hamburg und der Investor Quantum, an den Hamburg die Immobilie 2009 verkauft hatte, den Gedenkort aber nicht selbst betreiben wollte. Von den vertraglich zugesagten brutto 750 Quadratmetern Gedenk- und Lernortfläche waren dann 70 in jener Buchhandlung geblieben, deren Inhaberin wenig Miete zahlte und dafür den Zugang zum Gedenkort gewährleistete. Die Ausstellung haben dann Mitarbeiter der KZ-Gedenkstätte Neuengamme konzipiert.

Als „Privatisierung des Gedenkens“ hatten Verfolgtenverbände dieses Konstrukt bezeichnet. Auch der nach öffentlichen Protesten von der Kulturbehörde einberufene Fachbeirat hatte die Fläche von Anfang an als zu klein befunden. Immerhin war das Stadthaus in der NS-Zeit die Gestapo-Zentrale gewesen, von der aus die Verfolgung und Deportation von Juden, Sinti und Roma aus ganz Norddeutschland organisiert wurde. Zudem wurden etliche Widerstandskämpfer im Stadthaus verhört, gefoltert, manche umgebracht.

An 100 Freitagen hat die Initiative „Gedenkort Stadthaus“ vor dem Gebäude deshalb für einen würdigen Gedenkort Mahnwachen abgehalten, und auch das derzeit entstehende Kunstwerk „Stigma“ – eine stilisierte „Blutspur“ im Trottoir – kann dessen Fehlen nicht kompensieren. Denn abgesehen vom Mini-Gedenkort-Ort, einigen Stelen zur Baugeschichte in den Brücken­arkaden und dem „Seufzergang“, durch den die Gefangenen zu den Verhören gebracht wurden, sind die „Stadthöfe“ inzwischen nobles Hotel- und Gastronomiequartier geworden. Nicht einmal eine gut sichtbare Gedenktafel findet sich an der schneeweißen Außenfassade.

Chance für Neubeginn

Da bietet die Insolvenz des Buchladens eine Chance für eine Neuanfang, findet auch Kultursenator Carsten Brosda (SPD), und die wolle man nutzen, sagte er jetzt in der Bürgerschaft. Aber auch die aktuelle Eigentümerin des Gebäudes, die Ärzteversorgung Niedersachsen, müsste Verantwortung für ein professionalisiertes Gedenken übernehmen. Gespräche hätten begonnen, und man sei sich einig, dass die Stiftung „Gedenkstätten und Lernorte“ den Ort betreiben solle. Dem Vernehmen nach gibt es erste Signale, dass die Ärzteversorgung die rund 250 Quadratmeter große Fläche mietfrei zur Verfügung stellen wird.

Unklar ist noch, wer den Umbau – etwa den Einbau eines Seminarraums – sowie jene Person bezahlt, die künftig den Zugang zum Gedenkort sicherstellen soll. „Wir können Verwaltung und Leitung gewährleisten“, sagt Detlef Garbe, Chef der Stiftung, „außerdem eine Stelle für die Organisation von Veranstaltungen.“ Man könne aber weder Betriebskosten zahlen noch Personal für die Aufrechterhaltung der Öffnungszeiten. Auch Ehrenamtler und Mini-Jobber eigneten sich hierfür nicht. Man brauche eine qualifizierte Fachkraft.

Was die Ausstellung selbst betrifft, fordern Verfolgtenverbände und Beirat eine Ergänzung – etwa um die Rolle des von dort rekrutierten Hamburger Polizeibataillons 101, das an Massenerschießungen beteiligt war, sowie um die Schicksale der Widerstandskämpfer. Dem will Garbe Rechnung tragen: „Wir werden die vorhandene Ausstellung, die ja inhaltlich von guter Qualität ist, nicht grundlegend verändern. Wohl aber ergänzen: Der Widerstand wird anklingen und mehr Sichtbarkeit bekommen. Auch kleine, ergänzende Wechselausstellungen seien denkbar. Für ein ganz neues großes Museum reiche der Platz aber nicht. „In erster Linie werden wir den Lernort-Charakter durch Gruppenbetreuung und Veranstaltungen stärken.“

Zeit für einen neuen Dreiklang

Auch das fordern Kritiker seit Jahren: „Nachdem der investorenfreundliche Dreiklang des Senats aus Buchhandlung, Café und Gedenkort gescheitert ist, wird es Zeit für den Dreiklang der Verbände und des Beirats: Gedenken, Dokumentieren, Lernen“, sagt Norbert Hackbusch, kulturpolitischer Sprecher der Linksfraktion. „Nur durch ein neues Erinnerungskonzept kann mit der Lebenslüge aufgeräumt werden, Hamburg habe im Nationalsozialismus lediglich eine Nebenrolle gespielt.“

Kultursenator Brosda betont indes, das Stadthaus solle das Gedenken an die Täter wachhalten, nicht an die Opfer. „Dafür wird in der zu erweiternden Gedenkstätte in Fuhlsbüttel der richtige Ort sein.“ Die Arbeitsgemeinschaft ehemals verfolgter und inhaftierter Sozialdemokraten sowie die Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes protestieren: „Wir halten daran fest, dass auch der Widerstand gegen diesen Terror in die Mitte der Stadt zum Stadthaus gehört“. Die Beschränkung auf die Täter an diesem Ort bedeutete eine „eindimensionale Sicht der Geschichte, die wir als Opferverbände so nicht hinnehmen können und werden“.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.