piwik no script img

Chadwick Boseman über „21 Bridges“„Waffen bereiten mir Unbehagen“

Chadwick Boseman wurde als „Black Panther“ berühmt. Warum ihm seine Rolle als Polizist im neuen Film „21 Bridges“ anfangs nicht geheuer war.

Chadwick Boseman als Ermittler im Thriller „21 Bridges“ – ab Donnerstag in den deutschen Kinos Foto: Matt Kennedy/STXFilms
Interview von Patrick Heidmann

taz: Mr. Boseman, immer häufiger treten Schauspieler*innen auch als Produzent*innen ihrer Filme auf. Häufig geht es dabei eher um Prestige und Bezahlung als um kreativen Einfluss. Wie ist das bei Ihnen und „21 Bridges“?

Chadwick Boseman: Ich war tatsächlich aktiv daran beteiligt, diesen Film Wirklichkeit werden zu lassen. Gemeinsam mit einem Partner habe ich die Produktionsfirma Xception gegründet, „21 Bridges“ ist unser erster Film. Mir ist es wichtig, dass ich bei meiner Arbeit zumindest manchmal mitsprechen kann, wenn es um das Drehbuch geht, um die finale Schnittfassung oder auch die Vermarktung. Aber auch um Aspekte wie Diversität in der Besetzung oder hinter der Kamera. Wir haben allerlei Pläne für weitere Projekte.

Aber warum gerade „21 Bridges“, ein recht konventioneller Polizeithriller?

Unter anderem genau deswegen. Solche Filme habe ich in den achtziger und neunziger Jahren verdammt gerne gesehen, aber heute werden sie eigentlich nicht mehr gedreht. Viele der Schauspieler, die ich am meisten bewundere, haben solche Polizisten oder Ermittler gespielt, und ich fand, dass die Geschichte mir als Schauspieler etwas zu bieten hat, was mir sonst selten geboten wird. Ganz zu schweigen natürlich davon, dass das Szenario etwas hatte: ganz Manhattan wird abgeriegelt, um gesuchte Verbrecher an der Flucht zu hindern. Hat es so sicher auch noch nicht gegeben.

Was hat für Sie bedeutet, dass Sie in „21 Bridges“ einen Polizisten spielen? Zu dieser Berufsgruppe haben Afroamerikaner*innen ja selten ein vollkommen neutrales Verhältnis.

Das stimmt, und damit habe ich mich intensiv beschäftigt. Ursprünglich war die Figur als Politiker angelegt, als jemand aus der Stadtverwaltung. Da hätte ich dann auch keine Waffe benutzen müssen – was mir zusagte. Dass er dann zum Polizisten wurde, machte zwar Sinn, aber ich musste mich erst einmal mit dem Gedanken anfreunden. Denn natürlich habe ich eine private Meinung dazu, wie ein Großteil der Polizei in den USA People of Color behandelt. Ich habe Vorurteile und Diskriminierung am eigenen Leib erlebt und bin mehr als einmal gegen Polizeigewalt auf die Straße gegangen. Gleichzeitig kenne ich privat auch Polizist*innen, die ganz wunderbare Menschen sind. Und wenn mir eines wichtig ist, dann das Vermeiden von Einseitigkeit, egal bei welchem Thema. Letztlich habe ich für mich befunden, dass es auch positiv sein kann, einen Polizisten zu spielen, wie wir ihn uns wünschen sollten. Einen, der aufrichtig ist und ein moralisches Gespür für Richtig und Falsch hat, das über Regeln oder den reinen Gesetzestext hinausgeht.

Im Interview: Chadwick Boseman

Als Superheld „Black Panther“ aus dem fiktiven afrikanischen Staat Wakanda ist Boseman seit 2016 fester Bestandteil des Marvel-Universums. Der US-Amerikaner studierte Regie, arbeitete danach als Schauspiellehrer und hatte kleine Auftritte in Serien.

Seine ersten großen Kinorolle war Baseball-Ikone Jackie Robinson in dem Film „42“ von 2013. Es folgten Rollen als James Brown („Get On Up“) und Thurgood Marshall, der erste Schwarze Richter am US-Su­preme Court.

Nach „21 Bridges“ wird er in Spike Lees neuem Film „Da 5 Bloods“ zu sehen sein. Mit seiner Produktionsfirma arbeitet er zurzeit an einem Film über den ersten Schwarzen Samurai im Japan des 16. Jahrhunderts.

Ist es richtig, dass ein Freund von Ihnen von der Polizei erschossen wurde?

Da sind Sie nicht ganz richtig informiert, auch wenn das schon ein paar Mal so geschrieben wurde. Tatsächlich wurde zu Schulzeiten ein Freund von mir erschossen, doch das war ein tragischer Unfall, der nichts mit der Polizei zu tun hatte. Das war Gewalt unter Jugendlichen, eine dumme Geschichte mit jungen Leuten auf einer Party, die Dinge taten, die sie besser gelassen hätten. Später am College hatte ich einen Kommilitonen, der von einem Polizisten erschossen wurde: Prince Jones. Ta-Nehisi Coates hat in seinem Buch „Zwischen mir und der Welt“ über ihn geschrieben. Aber wir kannten uns eher flüchtig, das war also kein Fall in meinem unmittelbaren Umfeld.

Sie haben vorhin bereits angedeutet, dass Ihnen Schusswaffen nicht ganz geheuer sind …

Ich wollte mit Waffen nie etwas zu tun haben, schon als Jugendlicher nicht. Als Schwarzes Kind einer städtischen Arbeiterfamilie ist es natürlich nicht ungewöhnlich, dass ich schon recht früh mit Waffen in Berührung kam. Ich wurde mit Pistolen bedroht, etliche Freunde von mir hatten welche und haben damit wiederum andere bedroht. Ich habe mich dann immer möglichst aus dem Staub gemacht. Schon der Anblick einer Waffe sorgte bei mir für großes Unbehagen. Auch deswegen war die Rolle in „21 Bridges“ eine echte Herausforderung für mich.

War es das erste Mal, dass Sie eine Waffe in die Hand nehmen sollten?

Nein, das dann doch nicht. Ich war kein kompletter Neuling, sondern war auch schon mal am Schießstand und so. Aber richtig vertraut war ich mit dem Umgang eben nicht. Und plötzlich stand zur Vorbereitung auf die Rolle mehrere Tage die Woche Waffentraining auf dem Programm, mehrere Stunden am Stück, mit einem Cop zu Hause in Los Angeles. Bis zu 500 Schuss echte Munition pro Tag abzugeben, das war eine heftige Erfahrung. Mir hat das richtig körperlichen Stress verursacht.

Es ist ziemlich genau zwei Jahre her, dass „Black Panther“ weltweit deutlich mehr als eine Milliarde Dollar eingespielt hat. Wie sehr hat dieser Erfolg eigentlich Ihr Leben verändert?

Gar nicht so sehr, ehrlich gesagt. Zumindest gebe ich mir allergrößte Mühe, möglichst genauso weiterzuleben wie vorher. Klappt natürlich nicht immer, und an Halloween ständig auf Leute zu stoßen, die aussehen wie ich in meiner Rolle, ist immer noch ein kurioses Erlebnis. Aber im Großen und Ganzen vergesse ich in meinem Alltag den Erfolg der Marvel-Filme. Ohne ihn natürlich gering zu schätzen. Wer weiß, ob ich ohne „Black Panther“ heute eine eigene Produktionsfirma hätte.

Marvel hin oder her: dass der Film so erfolgreich, zum kulturellen Phänomen und sogar als Bester Film für den Oscar nominiert wurde, überraschte doch viele. Hatten Sie das in dieser Form eigentlich erwartet?

Wir haben natürlich gehofft, dass der Film gut ankommt. Schon allein, weil wir alle viel Arbeit reingesteckt hatten und wussten, dass es in dieser Form so etwas nie gegeben hatte. Wäre ausgerechnet dieser Marvel-Film gefloppt, wäre das ziemlich fatal gewesen. Gleichzeitig kann ich nicht wirklich eine Erklärung dafür geben, warum es am Ende so gut lief. Vermutlich kamen da verschiedene Dinge zusammen. Anscheinend hat sich unser Anspruch erfüllt, mehr zu bieten als einfach nur einen weiteren Superhelden-Film. Die Geschichte sollte eine gewisse Tiefe haben und ein echtes Gewicht. Außerdem wollten wir nicht bloß eine Afrika-Parodie zeigen, sondern ein Land, das so ähnlich tatsächlich existieren könnte. Allein die Kostüme von Ruth E. Carter trugen in dieser Hinsicht dabei enorm zur Authentizität bei. Und es hat mit Sicherheit auch nicht geschadet, dass es nicht bloß um mich als männlichen Helden ging, sondern zum Beispiel auch um diese vielen tollen, starken Frauen.

Stimmt es eigentlich, dass Sie Ihre Schauspielkarriere unter anderem der Kollegin Phylicia Rashad verdanken, die eine ganze Generation von Fernsehzuschauer*innen als Mutter in der „Cosby Show“ kennt?

Es ist wahrscheinlich nicht übertrieben zu sagen, dass ich ohne sie nie Schauspieler geworden wäre. Phylicia gab Schauspielkurse an der Howard University, wo ich Regie studierte. Im ersten Semester unterrichtete sie einen Workshop, den ich besuchte, weil ich glaubte, als Regisseur auch etwas über Schauspielerei wissen zu müssen. Als sie im Jahr darauf zurückkehrte und ein ganzes Seminar gab, war ich wieder dabei. Ich hatte ziemliches Lampenfieber und wollte lieber beobachten als selber spielen, aber sie forderte mich immer wieder heraus. Mit der Zeit wurde sie meine Mentorin und ermutigte mich, an der Schauspielerei dranzubleiben. Sie hat Seiten an mir zum Vorschein gebracht, die ich selbst nicht kannte – und dass ich heute hier sitze und mit Ihnen über einen Film spreche, ist sicherlich auch ihr Verdienst.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

0 Kommentare

Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

Wir machen Silvesterpause und schließen ab Montag die Kommentarfunktion für ein paar Tage.
  • Noch keine Kommentare vorhanden.
    Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!