Castor-Prozess: Sensibelchen in Uniform
Die Polizei brüstet sich gern damit, dass ihre BeamtInnen für Konfliktsituationen gut ausgebildet sind. Der gestrige Prozess gegen Klaus den Geiger in Lüneburg beweist das Gegenteil. Denn auch, wenn das Verfahren eingestellt wurde: Dass wegen einer derartigen Lapalie überhaupt das Gericht bemüht wird, ist in höchstem Maße unprofessionell.
Kommentarvon HEIKE DIERBACH
Es gibt nun mal Berufe, da fallen Späne: Beispielsweise LehrerInnen, SozialarbeiterInnen, PolizistInnen und auch JournalistInnen müssen damit rechnen, dass ihr Gegenüber im Eifer des Gefechtes mal die Nerven und die Höflichkeit verliert. Na und? Jeder Profi weiß damit umzugehen, indem er die „Beleidigung“ von seiner Person abstrahiert – weil sie allein seiner Berufsrolle gilt.
Nur bei Castor-Blockaden setzt die Polizei offenbar bevorzugt Sensibelchen ein. Schon, wenn DemonstrantInnen nicht freiwillig aufstehen, nehmen viele BeamtInnen das persönlich und reagieren mit Wut und Schreierei. Schlägt dann ein Polizist mal „über die Stränge“, wird das mit der Stress-Situation entschuldigt. Aber von den DemonstrantInnen wird umgekehrt erwartet, dass sie sich, selbst, wenn sie unter Schmerzen abgeräumt werden, an den Knigge halten. Tun sie es nicht, wird gleich zu Mama Staatsanwaltschaft gelaufen.
Wer A sagt, aber B nicht aushält, sollte nicht Polizist werden.
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