Cannabis im US-Sport: Gute Drogen, schlechte Drogen
Der prominente Basketball-Trainer Steve Kerr gesteht Experimente mit Marihuana ein. So beschert er der NBA eine unangenehme Debatte.
Steve Kerr ist ein Kiffer. Also, er hat zumindest schon mal gekifft. Um genau zu sein: ganze zwei Mal. Diese bescheidene Quote reicht allerdings, dass Kerr momentan noch mehr im medialen Interesse steht, als er das in seiner Eigenschaft als Trainer der Golden State Warriors, des Superstar-Teams der NBA, eh schon tut.
Seine Drogenerfahrungen, berichtete Kerr, seien allerdings eher enttäuschend verlaufen. Der Coach, der 2015 mit den Warriors den NBA-Titel gewann, hat seit Jahren chronische Rückenprobleme und verpasste die erste Hälfte der vergangenen Saison, als er sich behandeln ließ. In dieser Zeit, gab er nun zu, experimentierte er mit Marihuana, „aber es hat überhaupt nicht gegen die Schmerzen geholfen. Es war einen Versuch wert, denn ich habe auch schon Schmerzmittel und andere Medikamente ausprobiert, und die waren schlimmer.“
Kerr, der als Spieler mit den Chicago Bulls und den San Antonio Spurs jeweils drei Mal Meister wurde, war lange genug aktiv, um das Geschäft zu kennen. „Wenn man Schmerzen hat, dann ist Pot sicherlich verträglicher als Vicodin“, sagt er, „aber trotzdem wird Sportlern überall Vicodin verschrieben, als wäre es Vitamin C.“
Das betrifft nicht nur Basketballspieler, sondern vor allem auch Football-Profis, ergänzte Kerr, die ständig Blessuren davontragen und von denen erwartet wird, dass sie auch verletzt spielen. Gerade die könnten davon profitieren, wenn sie statt schnell abhängig machender Schmerzmittel das vergleichsweise schonende, aber als Doping eingestufte THC benutzen dürften. „In diesem Land gibt es immer noch die Vorstellung, dass Drogen aus der Apotheke gut sind, Haschisch aber schlecht“, so Kerr. „Ich glaube, das ändert sich gerade.“
Die NBA will diese Debatte nicht führen
Tatsächlich ist die Reaktion auf Kerrs Anmerkungen in einem Land, in dem immer mehr Bundesstaaten den Marihuana-Konsum freigeben, erstaunlich gelassen. Die NBA ließ zwar einen Sprecher darauf hinweisen, dass auch Trainer mindestens einmal pro Spielzeit auf Doping getestet würden und Marihuana auf der Verbotsliste stünde. Und ebenfalls erklärte dieser, dass es zwar Ausnahmen aus medizinischen Gründen gäbe, Kerr diese aber nicht in Anspruch nehmen könne, weil der ja die Wirkungslosigkeit seiner Marihuana-Experimente eingestanden habe. Um eine klare Aussage, ob Kerr denn nun gegen die Doping-Auflagen verstoßen hat oder nicht, drückte sich die NBA jedoch in ihrer Erklärung.
Wirkliche Kritik an Kerr kam bisher nur von seinem Kollegen Earl Watson. Der Trainer der Phoenix Suns bestritt zwar nicht Kerrs gute Absichten, warnte aber davor, sich „auf dünnes Eis zu begeben“. Vor allem minderjährigen Fans könnte der Eindruck vermittelt werden, „Marihuana sei cool, aber es ist nicht cool“.
Auf diesem dünnen Eis rutschen nun schon die Ersten aus. Klay Thompson etwa, einer der von Kerr trainierten Warriors-Stars, der am Montagabend beim 142:106 über die Indiana Pacers mit 60 Punkten in nur 29 Minuten einen furiosen NBA-Rekord erzielte, sprang seinem Coach zur Seite. Ansatzlos betete Thompson eine lange Liste an Krankheiten herunter, die man mit Cannabis behandeln könnte. Aber einfach so aus Spaß zu kiffen, das wolle er auch wieder nicht unterstützen, so Thompson, der als College-Spieler selbst einmal mit Gras erwischt und ein Spiel gesperrt wurde.
Tatsächlich hat Kerr eine Debatte losgetreten, die die NBA nicht führen will. Die leistungssteigernde Wirkung von Cannabis ist zwar höchst umstritten, aber eben auch nicht widerlegt. Und umgekehrt ist auch die medizinische Wirkung der Droge nicht hundertprozentig nachgewiesen. Das Thema ist komplex, und die NBA kann nur verlieren. Bleibt sie hart, wird ihr cooles und progressives Image beschädigt. Legalisiert sie Marihuana, wird sie zur Kiffer-Liga, vor der Eltern ihre Kinder warnen. Am liebsten wäre der NBA sicherlich, Steve Kerr hätte sich einen Joint angesteckt und den Mund gehalten.
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