CTM und die Antisemitismusklausel: Parole und Karriere
Das Berliner CTM-Festival startet in der kommenden Woche. Ein paar Künstler haben angekündigt, es wegen der Bekenntnispflicht der IHRA zu bestreiken.
Amerikanismus mit aufgerollten Hemdsärmeln“, so beschönigte Joseph McCarthy seine Machenschaften gegen angebliche linke Unterwanderung in den USA. Nicht nur McCarthy, der Richter aus Wisconsin, witterte Verdunkelungsgefahr, herbeigeführt von kommunistischer Weltrevolution und Pornografie. Unzählige Menschen machten mit bei der Hexenjagd auf Andersdenkende. Ein Kongressausschuss für unamerikanische Umtriebe (HUAC) zitierte Beschuldigte für Anhörungen nach Washington.
In Prozessen wurden Tausende Karrieren zerstört, Menschen zu Gefängnisstrafen verurteilt, ins Exil getrieben. Es kam zu Selbstmorden und Fehlurteilen. McCarthyismus wurde so zum feststehenden Begriff für ein antikommunistisches Klima der Paranoia im Kalten Krieg.
Das sollte man schon wissen, jetzt, wo die antiisraelische Lobby Strike Germany einen „McCarthyismus“ in Deutschland ausgerufen hat, gegen den sie mit Boykotten von Kulturveranstaltungen Front macht. Zudem, so behauptet sie, gebe es hierzulande keine Meinungsfreiheit, und wendet sich gegen die IHRA-Antisemitismusdefinition, die der Berliner Senat in seiner Antidiskriminierungsklausel übernahm.
Die zersetzende Solidarität mit „den Palästinensern“ wird nun auf dem Rücken des Berliner Elektronikfestivals CTM ausgetragen, das am kommenden Freitag beginnt. 2024 steigt seine 25. Ausgabe unter dem Motto „Sustain“, was sich auch mit aushalten übersetzen ließe. Das Festival lässt verlauten, dass es mit der IHRA-Klausel seine liebe Mühe habe, und postet einen Appell der freien Szene, wonach ihm dadurch „Rechtsunsicherheit und zweifelhafte Praktikabilität“ entstehe.
Strike Germany
Seit letzter Woche haben bis jetzt sechs Künstler:innen ihre Teilnahme am Festival abgesagt, weil sie sich dem Boykott von Strike Germany angeschlossen hatten. Zum Bedauern des Festivals, das an seiner „Unterstützung von künstlerischer Freiheit, Gedankenaustausch und Dialogfähigkeit festhält“.
Schaden werden die Absagen dem Festival nicht, sein Programm ist vielfältig und weltoffen, der Vorverkauf läuft gut. Dass sich die Künstler:innen mit ihrer Absage einen Gefallen getan haben, ist dagegen unwahrscheinlich.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Rekrutierung im Krieg gegen Russland
Von der Straße weg
Proteste bei Nan Goldin
Logiken des Boykotts
Israelische Drohnen in Gaza
Testlabor des Grauens
Pressefreiheit unter Netanjahu
Israels Regierung boykottiert Zeitung „Haaretz“
Gewalt an Frauen
Ein Femizid ist ein Femizid und bleibt ein Femizid
Twitter-Ersatz Bluesky
Toxic Positivity