CSU wirbt für Vorratsdatenspeicherung: Propaganda aus der Mottenkiste
Mit einem Youtube-Clip will die CSU Verständnis für die „digitale Spurensicherung“ schaffen. Die Argumente sind bekannt – und falsch.
BERLIN taz | Hans Peter-Uhl ist CSU-Bundestagsabgeordneter und glühender Befürworter der Vorratsdatenspeicherung. Nach dem Massaker von Utøya, nach dem article_id=243650:Bekanntwerden der NSU-Mordserie, nach den Anschlägen auf den Boston-Marathon, denen von Paris und Kopenhagen: So verlässlich wie das Glaubensbekenntnis in der Messe gesprochen wird, fordert Uhl die Speicherung personenbezogener Kommunikationsdaten.
Damit liegt er voll auf Parteilinie. Zu Prävention und Aufklärung mag die CSU auch Ideen haben, laut und deutlich jedoch verlangt sie immer und immer wieder die umfassendere Überwachung, nicht etwa verdächtiger Individuen, sondern der ganzen Gesellschaft.
Dass die Überwachung und Speicherung der Kommunikationsdaten zum Beispiel die Anschläge in Paris nicht verhindern konnten, ficht die CSU nicht an. Auch nicht, dass die Täter auffällig oft bereits polizeibekannt und als „Gefährder“ eingestuft waren. Argumentativ bewegt sie sich schließlich in einem Muster, dass undurchlässiger ist als der Kühlkreislauf eines gut gepflegten Atomkraftwerkes: Werden Anschläge verhindert, dann dank der Vorratsdatenspeicherung, werden sie durchgeführt, dann weil es nicht genug Vorratsdatenspeicherung gibt.
Dass es dennoch Bedenken dagegen gibt, die gesamte Bevölkerung qua Massenüberwachung unter Terrorverdacht zu stellen, hat die CSU-Fraktion im bayerischen Landtag dazu bewogen, ein Aufklärungsvideo ins Netz zu stellen. Mit altbackenen Propaganda-Strichzeichnungen, soll die Akzeptanz für Überwachungsmaßnahmen gestärkt werden.
Empfohlener externer Inhalt
Um den unangenehmen Beigeschmack abzuschwächen, der einer anlasslosen Speicherung sämtlicher Kommunikationsdaten nun einmal innewohnt, wird selbst das Wort „Vorratsdatenspeicherung“ für obsolet erklärt. Statt dessen sollen wir den implizit ausgesprochenen Generalverdacht besser in der Rubrik „Digitale Spurensicherung“ einsortieren. Das sei „genau wie bei den guten alten Fingerabdrücken im Tatort“. Dass die „guten alten Fingerabdrücke“ aller Menschen aus gutem Grund nicht vorsorglich in Verdachtsdateien für Straftäter gespeichert werden dürfen, bleibt unerwähnt.
Neben allerlei fahrlässiger Simplifizierung im Clip fällt am schwersten vielleicht die Verharmlosung der Metadatenspeicherung ins Gewicht. Die Polizei habe keinen Zugriff auf den Inhalt der Kommunikation, sondern „nur“ auf die Information „Wer? Wo? Mit wem? Wie lange?“. Ein alter Scherz bringt das Problem auf den Punkt: „Die Behörden wissen zwar, dass du eine halbe Stunde von der Golden-Gate-Bridge mit der Suizid-Hilfe-Hotline telefoniert hast. Aber worüber gesprochen wurde, das wissen sie ganz sicher nicht.“
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