CSU-Spezi vor Gericht: Im Netz des Dr. Schottdorf
Wie selbstständig waren die Partnerlabors der Schottdorfs? Im Augsburger Prozess geht es um Abrechnungsbetrug im großen Stil.
Können Sie Ihr Personal selbst aussuchen und einstellen? Wer bestimmt über die Höhe des Gehalts? Wer genehmigt Urlaubsanträge? Wann werden Entscheidungen nach Augsburg abgegeben? Derart waren die Fragen, die den Medizinern, in diesem Fall einem Laborarzt in Bochum, von dem Hauptkommissar gestellt wurden. Kurz: Wie frei ist ein Laborarzt im Imperium des Dr. Schottdorf?
Waren die Laborärzte, mit denen die Schottdorfs bundesweit zusammenarbeiteten, scheinselbständig? Denn das ist die zentrale Frage, um die es seit dem 7. September in Augsburg geht. Mal wieder, muss man sagen, denn es ist nicht das erste Mal, dass sich der Laborarzt wegen Betrugsvorwürfen vor Gerichte verantworten muss. Überraschungen freilich brachte die Aussage des LKA-Beamten nicht zutage.
Dubiose Geschäftspraktiken
In dem Verfahren geht es um Geschäftspraktiken der Schottdorfs in den Jahren 2004 bis 2007. Laborleistungen im Umfang von fast 79 Millionen Euro sollen die Angeklagten zu überhöhten Preisen abgerechnet haben. Dabei hätten sie sich eines Netzes von scheinselbständigen Außenlaboren bedient, um vorgeschriebene Rabatte nicht gewähren zu müssen. Denn eigentlich dürfen Laborärzte ab einem gewissen Auftragsvolumen nicht mehr den vollen Honorarsatz abrechnen.
Auf diese Weise, so die Staatsanwaltschaft, hätten die Schottdorfs den gesetzlichen Krankenversicherungen einen Schaden von knapp 13 Millionen Euro zugefügt. Fazit der Staatsanwaltschaft: 124 Fälle des gemeinschaftlichen Betrugs.
Schottdorf hat die Vorwürfe bereits am ersten Prozesstag zurückgewiesen. Es gebe weder Tat noch Motiv noch Schaden. Die Scheinselbständigkeit der Ärzte in den Partnerlabors bestreitet er.
Dass die zur Last gelegten Tatbestände schon etliche Jahre zurückliegen, ist nicht wirklich verwunderlich. Die Vorwürfe sind nicht neu, schon vor dreieinhalb Jahren wurde deshalb Anklage erhoben. Doch die Wirtschaftskammer des Landgerichts Augsburg setzte die Verhandlung erst für dieses Jahr an. Der Grund: zu viele Verfahren.
Zeuginnenvorladung an alte Adresse
Auch jetzt scheint das Gericht reichlich Zeit zu haben. Als die für den Vormittag geladene Zeugin, eine Laborärztin aus Nordrhein-Westfalen, nicht erscheint, benötigt die Vorsitzende Richterin Susanne Riedel-Mitterwieser genau eine Google-Anfrage und zwei Anrufe, um festzustellen, dass die Vorladung an eine Adresse geschickt wurde, an der die Zeugin bereits seit Jahren nicht mehr gesichtet wurde.
Belustigt erzählt die Richterin den zahlreichen versammelten Prozessbeteiligten, die Frau habe ihr erzählt, sie verfolge den Prozess mit Interesse in der Presse. Dass sie selbst Zeugin sei, davon habe sie aber nichts gewusst.
Bernd Schottdorf verfolgt das Geschehen ungerührt und knetet seine Finger. Auch heute ist er in seinem üblichen Outfit erschienen: Schwarzer Anzug, schwarzes Hemd, weißes Haar. Einmal entkommt ihm ein Lächeln.
Schottdorf verlässt nur noch selten sein Schloß
Bernd Schottdorf hat sich bereits 2010 aus dem Tagesgeschäft seines Labors zurückgezogen, Frau Gabriele kümmert sich mittlerweile allein darum. Er selbst verlässt der örtlichen Presse zufolge nur noch selten Schloss Duttenstein. Das herrschaftliche Anwesen mit Park, zwischen Heidenheim und Donauwörth gelegen, bietet wohl auch so genügend Freizeitmöglichkeiten für den 75-Jährigen.
Der Augsburger Gerichtssaal ist nur eine der Bühnen für das Schottdorf-Drama. Der andere große Schauplatz ist im Münchner Maximilianeum. Der Untersuchungsausschuss Labor beschäftigt sich dort seit einem Jahr bereits mit der Frage, ob die Politik zugunsten Schottdorfs Einfluss auf die Augsburger Ermittlungen genommen hat. Ein Vorwurf, der auch von mehreren LKA-Beamten erhoben wurde, die sich bei ihren Ermittlungen behindert sahen.
Besonders befremdlich empfinden viele, dass die Ermittlungen gegen Schottdorf und hunderte weitere Ärzte von der Staatsanwaltschaft München abgezogen und nach Augsburg übergeben wurden. In der Landeshauptstadt sollte man sich nur noch um ein sogenanntes Pilotverfahren gegen einen Münchner Arzt kümmern, das dann als Richtschnur für das weitere Vorgehen in den übrigen Fällen hätte dienen sollen. Doch ohne das Ende dieses Prozesses abzuwarten, wurden die meisten Verfahren eingestellt.
Im Untersuchungsausschuss geht es nun um die Frage, welche Rolle die Generalstaatsanwaltschaft und das Justizministerium bei dieser Entscheidung gespielt haben. Der Münchner Arzt übrigens wurde zu einer Gefängnisstrafe von mehr als drei Jahren verurteilt. Ein Bauernopfer?
Gewisse Nähe zur Politik
Dass Schottdorf eine gewisse Nähe zur Politik, namentlich zur CSU, pflegt, ist unbestritten. So war er zumindest zeitweise Mitglied der Partei und hat laut Süddeutscher Zeitung bereits eine Spende über 30.000 Euro eingeräumt. Auch bei der Wahl seiner Anwälte lässt er seine Affinität für die CSU durchblicken: Lange Jahre wurde er von Peter Gauweiler vertreten, in der Kanzlei seines jetzigen Anwalts arbeiten die beiden Töchter von Edmund Stoiber.
Schottdorfs intensive Kontakte zur Justiz sind weniger freundlich, wenngleich auch schon viele Jahre alt. Bereits in den achtziger und neunziger Jahren wurden zwei Betrugsverfahren gegen Bernd Schottdorf eingeleitet. Auch damals ging es um Abrechnungsbetrug und um Scheinbeschäftigung von Ärzten. Beide Male wurde Schottdorf freigesprochen, zuletzt im Jahr 2000. Nicht verlegen um große Vergleiche sprach Schottdorf in der Augsburger Allgemeinen von einem „Dreißigjährigen Krieg“ gegen ihn. Sollten die Richter diesmal anders befinden, muss das Ehepaar allerdings mit Haftstrafen ohne Bewährung rechnen.
Nur einmal, da blieb tatsächlich etwas hängen: Da ging es allerdings nur mittelbar um die Abrechnungspraktiken. 2006 wurde bekannt, dass Schottdorf einem Augsburger Staatsanwalt einen günstigen Privatkredit über 160.000 Mark gewährt hat. Dieser hat dann auch mehrere Verfahren gegen Schottdorf eingestellt. Der Laborarzt akzeptierte eine Geldstrafe von 450.000 Euro wegen Vorteilsgewährung.
Mehr jedoch soll ihn der Zeitung zufolge geschmerzt haben, dass er wegen der Vorstrafe auch seinen Waffenschein verloren hat. Schottdorf war leidenschaftlicher Jäger. Der Staatsanwalt kam weniger glimpflich davon. Er wurde etwas später zu drei Jahren und drei Monaten Haft verurteilt.
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