CSU-Parteitag ohne Merkel: Angst vorm Ausgebuhtwerden
Aus Furcht vor den Delegierten soll Merkel lieber nicht zum CSU-Parteitag fahren. Für die einen ein Tiefpunkt, für die anderen eine Erleichterung.
Merkel und Seehofer haben am Freitagabend sehr lange mit weiteren Unionsspitzen im Kanzleramt in Berlin zusammengesessen, um über die Rentenpolitik zu streiten. Seehofer will wie schon im Wahlkampf 2013 die Rente für ältere Mütter erhöhen – schließlich habe das schon einmal viele Wählerstimmen gebracht. Merkel und ein großer Teil ihrer CDU halten das für rückwärtsgewandt und eine unzumutbare Belastung der jüngeren Generation. Unter vier Augen verständigten sie sich dann noch über Merkels Nicht-Auftritt beim CSU-Parteitag – in der ganzen schmutzigen Auseinandersetzung vielleicht die sauberste Lösung.
„Wir sind übereinstimmend der Meinung, die Positionen die wir am Ende gemeinsam vertreten, müssen ehrliche Positionen sein“, sagte Seehofer wohlwissen schon am vergangenen Montag in einem ZDF-Interview. „Wir müssen inhaltlich keine Inszenierung aufführen, es muss belastbar sein für die Mitglieder und die Bevölkerung.“ Es bleibt trotzdem ein Tabubruch. Merkel war von 2000 bis 2015 auf allen CSU-Parteitagen.
Beide bekannten in den vergangenen Wochen, sie könnten mit dem Dissens zur Zuwanderung leben. Dieser Dissens, der jetzt zur Absage an den Kongress geführt hat, ist die monatelange Forderung der CSU nach einer Obergrenze für die Aufnahme von Flüchtlingen und Merkels ebenso lange strikte Ablehnung. Beide Seite halten stur an ihrer Linie fest. Für Seehofer muss dieser Punkt längst nicht mehr im Konsens geklärt werden: In der Vergangenheit habe die CSU immer wieder Punkte vertreten, die die CDU anders sehe, sagte er.
Merkel dürfte inzwischen froh sein, nicht nach München zu müssen. Die Lust auf CSU-Parteitage ist ihr nach der Demütigung auf offener Bühne im letzten Jahr gründlich vergangenen – Seehofer kanzelte sie wegen der Flüchtlingskrise damals über 15 Minuten ab, während sie ohne Mikro daneben stand. Außerdem hat sie ja immer noch nicht bekanntgegeben, ob sie eine vierte Kanzlerkandidatur anstrebt. Das hätte es selbst Merkel-Anhängern in der CSU schwer gemacht, Aufbruchstimmung zu verspüren und zu versprühen.
Die bayerische Landtagswahl im Blick
Auch in der CSU ist nach der Entscheidung gegen die Einladung kaum jemand traurig. Offen ist noch, ob sich Merkel beim CDU-Parteitag Anfang Dezember in Essen revanchieren und Seehofer das Fernbleiben nahelegen wird – was durchaus nicht ihrer Art entspräche. In der CDU hieß es am Samstag nach der CSU-Parteitagsentscheidung: „Wir sind bei der inhaltlichen Verständigung auf einem sehr guten Weg.“
Für Seehofer geht es aber nicht nur um die Union und die Bundestagswahl. Der CSU-Chef hat längst die Ende 2018 anstehende Landtagswahl im Freistaat im Blick. Bei beiden Abstimmungen geht es laut Seehofer für die CSU um die politische Existenz. Nachdem Merkel die gesamte Union in den vergangenen Jahren schrittweise in die Mitte bewegte, will die CSU deshalb nun den Rückwärtsgang einlegen.
Maßgabe für die Christsozialen ist dabei der alte Satz von Ex-CSU-Chef Franz Josef Strauß: „Rechts von der Union darf es keine demokratisch legitimierte Partei geben.“ Und genau dafür soll der Parteitag am nächsten Freitag und Samstag in München die Weichen stellen. Dies zeigt sich in den beiden Leitanträgen, die der Parteitag auf Vorlage des Vorstandes beschließen soll. Darin ruft die CSU offen zum Kampf gegen den politischen Islam und gegen mögliche rot-rot-grüne Koalitionen auf.
Bei den Wahlen helfen soll auch das neue Grundsatzprogramm der CSU Mit dem schlichten Titel „Die Ordnung“. Es soll den Mitgliedern und allen potenziellen Wählern helfen, sich in der schnell verändernden Welt neu zurechtzufinden. Wer kulturelle Verlustängste verspürt, weil mehr Muslime in Deutschland leben, wer Angst vor Terroranschlägen vor der eigenen Haustür hat, wer den sozialen und wirtschaftlichen Abstieg befürchtet – alle sollen wieder in der Union eine politische Heimat finden und nicht zur AfD laufen müssen.
Die CSU weiß aber, dass sie auch die CDU braucht. Deshalb ist es für sie nur folgerichtig, sich abseits aller Streitigkeiten wieder auf die Suche nach gemeinsamen Zielen für die Union zu machen.
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