CSU-Fraktionschefin über Amigo-Affäre: „Ein Schaden für die Demokratie“
Christa Stewens wäre gerne einfache Abgeordnete im bayerischen Landtag geblieben. Sie fordert ein strengeres Abgeordnetenrecht und hofft auf neues Vertrauen.
taz: Herzlichen Glückwunsch, Frau Stewens! Nachdem bekannt wurde, dass Georg Schmid, der Fraktionsvorsitzende der CSU im bayerischen Landtag, seine Frau als Sekretärin beschäftigt hatte, sind Sie als seine Nachfolgerin unverhofft in eine prominente Position gelangt.
Christa Stewens: Ich war in der Tat sehr überrascht, als mich Ministerpräsident Horst Seehofer anrief. Natürlich ist dieses Amt eine große Ehre, die ich aber mit einem lachenden und einem weinenden Auge sehe. Ich wäre auch gern einfache Abgeordnete geblieben.
17 Abgeordnete der CSU hatten zuletzt noch Verwandte ersten Grades beschäftigt. Darunter waren auch drei Kabinettsmitglieder. Wie wollen Sie aus diesem Schlamassel wieder herauskommen?
Aktuell gibt es nur noch einzelne Beschäftigungsverhältnisse, die nach wie vor der rechtlich gültigen Regelung entsprechen. Wir werden das Abgeordnetenrecht für die Zukunft aber sehr streng fassen, einen Gesetzentwurf hat die CSU bereits eingebracht. Transparenz ist nun ganz wichtig. Dazu hat die Landtagspräsidentin Barbara Stamm am Freitag mit der Veröffentlichung der Liste der Beschäftigungsverhältnisse mit Bestandsschutz einen wichtigen Beitrag geleistet.
In der nächste Legislaturperiode sollen nach meiner Meinung alle Beschäftigungsverhältnisse im Bayerischen Landtag über die Verwaltung des Landtagsamts abgewickelt werden, genau so, wie das auch im Bundestag gemacht wird. Und wir wollen, dass alle Beschäftigungsverhältnisse, die Verwandte betreffen, zum 1. Juni beendet werden.
Wie groß schätzen Sie den Schaden ein, den die CSU davontragen wird – knapp fünf Monate vor der Bundestagswahl?
Nachdem sich mittlerweile herausgestellt hat, dass auch Abgeordnete der SPD, der Grünen und der Freien Wähler betroffen sind, ist es wohl ein Schaden für die gesamte parlamentarische Demokratie. Aber für diese halte ich den Schaden tatsächlich für sehr groß. Jetzt müssen wir zusehen, dass wir durch Transparenz und durch eine klare Neuregelung Vertrauen zurückgewinnen.
Die überwiegende Mehrheit derer, die Verwandte beschäftigt haben, stammt aber aus der CSU – nach wie vor die alte Amigo-Partei, wie wir sie kennen?
sitzt seit 1994 für die CSU im Landtag, seit 26. April ist sie Fraktionsvorsitzende. Die 67-Jährige ist Nachfolgerin von Georg Schmid, der wegen der Vewandtenaffäre zurücktrat.
Dass die CSU als mit Abstand größte Fraktion quantitativ stärker betroffen ist, liegt nahe, weil es nun mal im Jahr 2000 wesentlich weniger Abgeordnete der SPD und der Grünen gab. Die Beschäftigungsverhältnisse der Abgeordneten wurden im Abgeordnetengesetz im Jahr 2000 neu geregelt. Damals hat man parteiübergreifend beschlossen, dass Beschäftigungsverhältnisse, die bereits vor 2000 bestanden, weiterlaufen können.
2009 wurde diese Richtlinie von allen fünf Fraktionen bestätigt. Viele Abgeordnete durften darauf vertrauen, dass ihre Beschäftigungsverhältnisse in Ordnung seien. Ich möchte das aber nicht verteidigen. Es gibt einen Unterschied zwischen dem, was gesetzlich erlaubt ist, und dem, was politisch korrekt und sensibel ist.
Woher kommt denn die mangelnde Sensibilität? Ist die CSU schon zu lange im Amt?
Wenn man die Arbeit eines Abgeordneten betrachtet, dann läuft natürlich auch vieles über die Familie zu Hause und nicht nur alles im Büro. Mein Mann ist auch oft sauer, wenn er ständig ans Telefon gehen muss. Meine jüngste Tochter hat mal am Telefon zu einem Beamten im Innenministerium gesagt: Hier wohnt nicht die Frau Abgeordnete, hier wohnt nur meine Mutter und hat vor Wut den Hörer aufgelegt.
Ich persönlich bin der Überzeugung, dass die Entschädigung der Abgeordneten so gut ist, dass man durchaus eine Mithilfe von Kindern, die zu Hause leben, oder vom Ehemann verlangen kann. Aber da haben viele gesagt, für diese Arbeiten, die da zu Hause ständig anfallen, gebe ich meiner Frau ein bisschen Geld.
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