CSD in Leipzig: Blamierte Neonazis
Sie wollten den CSD stören und kamen nicht mal aus dem Hauptbahnhof raus. Gut so. Es braucht antifaschistischen Gegenwind für freies queeres Leben.
I n Leipzig haben Neonazis versucht, den Christopher Street Day (CSD) zu stören – und sind gescheitert. Ihrem Kundgebungsaufruf folgten nicht – wie angemeldet – 1.000, sondern nur etwa 400 Rechtsextreme, und die kamen noch nicht mal aus dem Hauptbahnhof raus. Statt gegen den lebensfrohen, queeren Protest zu hetzen, warteten sie teilweise bis zum Abend darauf, dass die Polizei ihre Identität feststellte.
Dieses Fiasko für die Neonazis zeigt: Damit zum Beispiel queere Menschen frei von Bedrohungen und Gewalt leben können, braucht es ordentlichen antifaschistischen Gegenwind. Schön, dass er die Rechten in Leipzig umgeblasen hat. Schade, dass das in Bautzen und anderen kleinen Städten so nicht funktioniert.
Klar, nicht der antifaschistische Gegenprotest hat die Gitter aufgebaut, die Identitäten der Neonazis einzeln geprüft und sie wieder zurück in die Züge gesetzt. Das war die Polizei. Doch eine Woche zuvor brüllten eben in Bautzen vermutlich dieselben Neonazis dieselben Neonazi-Parolen. Trotzdem durften sie demonstrieren. In Leipzig provozierte offenbar erst der ankündigte Antifa-Protest, dass die Polizei gegen die menschenfeindliche Kundgebung vorging. Das Resultat: 80 Ordnungswidrigkeiten und 40 Straftaten. In Bautzen stellte die Polizei nicht halb so viele fest, obwohl dort fast doppelt so viele Rechtsextreme marschierten.
Durchs Verbieten oder Ignorieren gehen die Neonazis nicht weg. Im Gegenteil, in Sachsen haben sie starken Zuwachs. Auch das war in Leipzig zu sehen. Unter den 400 festgesetzten Neonazis waren 160 Jugendliche und vier Kinder. Wenn die gemeinsam „Ganz Deutschland hasst den CSD“ brüllen, erzeugt das Gefühl, in der Mehrheit zu sein. Das stimmt zwar nicht, aber es mobilisiert. Steht ihnen aber ein großer antifaschistischer Protest gegenüber, bröckelt das Narrativ.
Jede neonazistische Versammlung ist eine zu viel. Der Neonazi-Protest in Leipzig ist für die Organisator:innen blamabel. Trotzdem geht es jetzt um sie statt um den fröhlichen CSD in Leipzig, seine rund 20.000 Teilnehmer:innen und deren politische Forderungen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Hoffnung und Klimakrise
Was wir meinen, wenn wir Hoffnung sagen
Rechte Gewalt in Görlitz
Mutmaßliche Neonazis greifen linke Aktivist*innen an
Spiegel-Kolumnist über Zukunft
„Langfristig ist doch alles super“
+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++
Slowakischer Regierungschef bei Putin im Kreml
Lohneinbußen für Volkswagen-Manager
Der Witz des VW-Vorstands
Hamburg und die Kühne-Oper
Als das Wünschen noch geholfen hat