COP 29 in Aserbaidschan: Ein Jahr nach Bergkarabach
Aserbaidschan ist autoritär, lebt von Öl und Gas und richtet die nächste Klimakonferenz aus. Was ist der richtige Umgang mit dem Gastgeberland?
A serbaidschan hat in den letzten Jahren international vor allem negative Schlagzeilen gemacht. Es hat jahrelang Mitglieder der parlamentarischen Versammlung des Europarats, darunter auch Bundestagsabgeordnete, bestochen, wie in dieser Woche im deutschen Fernsehfilm „Am Abgrund“ zu sehen ist. Durch seine militärische Rückeroberung Bergkarabachs und der umliegenden Gebiete hat es über 100.000 Armenier*innen faktisch zur Flucht gezwungen. Jetzt will Aserbaidschan als Gastland der COP29, die im November in Baku stattfinden wird, sein internationales Image aufpolieren und Finanzierung für die Modernisierung seines Energiesektors an Land ziehen.
Baku ist auf fossilen Energien erbaut. Die Stadt wurde zu Beginn des 20. Jahrhunderts durch den Ölboom zur globalen Metropole. Nach dem Zerfall der Sowjetunion und dem Ende des ersten Bergkarabachkriegs im Jahr 1994 begann Haidar Alijew, Vater des jetzigen Präsidenten Ilham Alijew, mit British Petroleum die Ölförderung und so das Wirtschaftswachstum voranzutreiben. Mit der Entdeckung des Shah-Deniz-Gasfelds im Jahr 1999 baute Aserbaidschan auch die Gasförderung aus. Staat und Energiewirtschaft sind eng verwoben – dafür stehen die Flammentürme, die hoch über Baku thronen, sinnbildlich.
Öl- und Gasexporte machen etwa 90 Prozent der Exporte aus. Die Einnahmen werden partiell über Löhne für Staatsbedienstete an die Mittelschicht verteilt, wodurch der Staat sich deren Loyalität sichert.
Korruption und Unterdrückung
leitet das Regionalbüro Südkaukasus der Heinrich-Böll-Stiftung mit Sitz in Tiflis. Zuvor war sie als Mitarbeiterin des Deutschen Bundestags und Gastwissenschaftlerin der Stiftung Wissenschaft und Politik tätig.
Aserbaidschan gehört zu den autoritärsten Staaten der Welt. Im Korruptionswahrnehmungsindex von Transparency International belegt das Land Platz 154 von 180. Mit Festnahmen, restriktiver Gesetzgebung und Kooptierung geht das Regime gegen die Zivilgesellschaft vor. Unabhängige Vereine werden vom Staat nicht registriert und können keine Zuwendungen aus dem Ausland erhalten. Sogenannte Gongos, regierungsnahe Vereine, werden hingegen staatlich finanziert und bei politischen Entscheidungen scheinbeteiligt.
Proteste werden meist brutal niedergeschlagen – so im Sommer 2023 bei Protesten gegen den Bau eines Abwasserreservoirs einer Goldmine. Vor den Präsidentschaftswahlen am 7. Februar 2024 ging die Regierung besonders massiv vor. Unter anderem wurden Gubad Ibadoglu, Gastwissenschaftler der London School of Economics und Oppositionspolitiker, sowie sechs Journalist*innen inhaftiert. Sie werden von Menschenrechtsverteidiger*innen zu über 250 politischen Gefangenen gezählt.
Indes ist nicht von der Hand zu weisen, dass Alijew und seine Frau und Vizepräsidentin Mehriban Alijewa im Land beliebt sind. Seit der Wiederherstellung der Kontrolle über Bergkarabach hat Präsident Alijew kurz- und mittelfristig keine ernsthafte politische Konkurrenz zu erwarten.
Aserbaidschans Klimapolitik
Die Klimakrise wird in Aserbaidschan zu einem schnelleren Anstieg der Temperaturen führen als im globalen Durchschnitt, und das Land wird zunehmenden Extremwetterereignissen ausgesetzt sein. Die Klimaziele des Landes sind dennoch wenig ambitioniert: Bis 2040 sollen die CO2-Emissionen um 40 Prozent gesenkt werden; verglichen mit 1990, das heißt, vor dem Zusammenbruch der Sowjetindustrie, die für große Emissionen verantwortlich war. Bis 2030 sollen 30 Prozent der Stromproduktion durch Erneuerbare erzeugt werden. Aktuell machen sie jedoch nur 7 Prozent aus. Expert*innen kritisieren, dass die Erneuerbaren primär dazu genutzt werden sollen, im heimischen Verbrauch Gas einzusparen und dieses exportieren zu können.
Brisant ist darüber hinaus: In den 2020 von Armenien zurückeroberten Gebieten soll eine „grüne Energiezone“ entstehen. Im Februar 2024 organisierte die deutsche Außenhandelskammer Aserbaidschan eine Veranstaltung zum „Wiederaufbau der Wasser- und Abwasserinfrastruktur in der Region Karabach“, die laut Medienberichten durch das Bundesumweltministerium unterstützt wurde.
Die EU als Hauptabnehmerin
Die EU ist mit einem Anteil von zwei Dritteln der Exporte der größte Handelspartner des Landes. Insbesondere nach der russischen Vollinvasion der Ukraine ist Aserbaidschan für die EU zu einem wichtigen Energielieferanten geworden. Im Juli 2022 vereinbarten Brüssel und Baku, die Gaslieferungen aus Aserbaidschan bis 2027 mehr als zu verdoppeln. Hierzu wären allerdings sowohl ein Ausbau der Transitinfrastruktur als auch der Gasförderung selbst notwendig.
Auch Strom will die EU künftig aus Aserbaidschan importieren: Im Dezember 2022 verabredeten Aserbaidschan, Georgien, Ungarn und Rumänien im Rahmen der EU-Global-Gateway-Initiative den Bau eines Untersee-Stromkabels.
Sollten die Einnahmen aus fossilen Brennstoffen wegen der Hinwendung der EU zur Klimaneutralität versiegen, würden Wirtschaft und Staatsmodell versagen. Auch zur Sicherung der autoritären Stabilität wendet Aserbaidschan sich also den Erneuerbaren zu. Außerdem kann das Regime nach viel schlechter Presse ein Megaevent in Baku zur externen Legitimierung gut gebrauchen.
Zur Bewältigung der Klimakrise ist Zusammenarbeit auch mit schwierigen Partnern notwendig. Daher ist – sofern Aserbaidschan von weiteren Eskalationen gegenüber Armenien absieht – von einem größeren Boykott der COP29 nicht auszugehen. Einige unabhängige aserbaidschanische Akteur*innen bitten die internationale Gemeinschaft stattdessen, sich für echte zivilgesellschaftliche Beteiligungsmöglichkeiten, die Stärkung der Klima- und Umweltziele sowie die Freilassung der politischen Gefangenen einzusetzen.
Ob die COP aus aserbaidschanischer Sicht nicht nur ein finanzieller, sondern auch ein politischer Erfolg wird, wird maßgeblich davon abhängen, wie das Land im Vorfeld mit seiner eigenen Zivilgesellschaft umgeht und ob es ernsthafte Schritte in Richtung Frieden mit Armenien geht. Demokratische Staaten sollten Sorge tragen, sich im Rahmen der COP – und darüber hinaus – nicht für Greenwashing instrumentalisieren zu lassen.
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